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Neuer Katalog – neue Anforderungen

19. Apr 2024

Martina Averbeck & Andreas Fleischer  |  Hansainvest Real Assets GmbH & DFI Real Estate

Eine Neubau- oder revitalisierte Bestandsimmobilie zertifizieren zu lassen, ist aus Eigentümersicht sinnvoll, wenn nicht sogar unabdingbar. Eine Immobilie mit einer hochwertigen Zertifizierung wie zum Beispiel DGNB Gold läuft beispielsweise kaum Gefahr, während ihres gesamten Lebenszyklus jemals als nicht nachhaltig zu gelten. Somit wird eine Logistikimmobilie auch höchstwahrscheinlich nicht zum Stranded Asset, das die ESG-Kriterien vieler professioneller beziehungsweise regulierter Investoren nicht mehr erfüllt.
Ebenso wird die Vermietbarkeit durch ein Nachhaltigkeitszertifikat gefördert – nicht nur bei großen international agierenden Unternehmen, sondern immer häufiger auch bei Mittelständlern. Gerade vor dem Hintergrund, dass immer mehr Produzenten und andere Verlader auf Unternehmensebene die Netto-Null bei den Emissionen anstreben, dürfte dieser Aspekt in Zukunft noch deutlich wichtiger werden. Neben diesem Impact, den der Nutzer erzielen kann, ist jedoch auch das Einsparen von Nebenkosten ein wichtiger Pluspunkt zertifiziert nachhaltiger Immobilien.

Allerdings ergeben sich zwei zentrale Fragen. Erstens: Welches Zertifikat eignet sich für welche Immobilie? Und zweitens: Wie beeinflusst der Siegeszug der Zertifizierungssysteme die Art und Weise, wie wir künftig bauen?

DGNB, BREEAM oder LEED?

Je intensiver sich die Logistik- und Immobilienbranche mit dem Thema „Green Buildings“ befasst, desto vielfältiger werden die möglichen Nachhaltigkeitsmaßnahmen. Anstatt sich einem gemeinsamen Standard anzunähern, differenzieren sich die Systeme bei den Details weiter aus. Das DGNB-System der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen ist beispielsweise besonders stark auf das deutsche Baurecht und die EU-Taxonomie spezialisiert. Außerdem handelt es sich um das umfassendste Zertifikat, da es den gesamten Lebenszyklus der Immobilie miteinschließt. Gerade im Neubau kann es deshalb sinnvoll sein, gemäß DGNB zertifizieren zu lassen – sofern die baulichen Gegebenheiten dafür vorhanden sind.

Darüber hinaus spricht ein weiterer Grund dafür, dass das DGNB-System in Deutschland künftig noch relevanter wird: Es werden immer mehr Green Leases, also grüne Mietverträge abgeschlossen. Bei diesen verpflichten sich sowohl Vermieter als auch Mieter zu einer nachhaltigen Bewirtschaftung der jeweiligen Immobilie. Ein DGNB-Zertifikat bietet hierfür die ideale Grundlage.

Seltener werden aber auch hierzulande Immobilien gemäß LEED- oder BREEAM-Katalog zertifiziert. Das LEED-System (Leadership in Energy and Environmental Design) ist mit mehr als 100.000 weltweit zertifizierten Immobilien das gängigste. Hierbei handelt es sich jedoch häufig um Büroimmobilien und die US-amerikanische Prägung des Kriterienkatalogs ist spürbar. Einen Mittelweg bietet das ursprünglich im Vereinigten Königreich entwickelte BREEAM-Zertifikat (Building Research Establishment Environmental Assessment Methodology). Vor allem in EU-Ländern ohne eigenes nationales Zertifikat – zum Beispiel in den Niederlanden oder in Belgien – findet es sehr häufig Anwendung. In Deutschland werden darüber hinaus häufig Bestandsrevitalisierungen gemäß BREEAM zertifiziert.

Die Kriterien verschärfen sich immer weiter

Die Kataloge der Zertifizierungssysteme werden immer umfangreicher und die Kriterien immer schärfer. Die Version 2023 der DGNB-Zertifizierung und auch die Version 2024 des LEED-Systems setzen deutlich höhere Mindestanforderungen und Nebenanforderungen voraus, außerdem werden die rein ökologischen Kriterien noch stärker als bisher gewichtet. Im überarbeiteten DGNB-Katalog haben wir insgesamt elf Kriterien identifiziert, die eine große Veränderung zur bisher gängigen 2018er-Version darstellen – darunter Merkmale wie die verantwortungsbewusste Ressourcengewinnung, aber auch soziale Aspekte wie der thermische Komfort für die Mitarbeiter und die Barrierefreiheit.

Oft werden bestehende Aspekte verschärft: Beim Klimaschutz beispielsweise werden die bisherigen möglichen Bonuspunkte in reguläre Punkte umgewandelt und verlieren ihren Sonderstatus. Stattdessen werden neue, schwerer zu erreichende Bonuspunkte für Faktoren wie Mobilität oder recycelte Baumaterialien ausgelobt. Des Weiteren werden emittierte Treibhausgase nun stärker „bestraft“ als in der vorherigen DGNB-Version. Neben den bisher taxonomiebezogenen Kriterien fließen auch die Aspekte des Qualitätssiegels Nachhaltiges Gebäude (QNG) in das Gesamtscoring mit ein, was die Anforderungen nochmals in die Höhe schraubt.

Sinnvoll insbesondere aus Sicht der Investoren erscheint, dass vollkommen neue Punkte wie die sogenannte Klimaresilienz in den Katalog Einzug gehalten haben. Die Analyse potenzieller Klimarisiken, die eine langfristig sichere Nutzung der Immobilie verhindern könnten, ist nun verpflichtend. Ein weiteres Beispiel für neue Anforderungen besteht in der Dokumentation des Gebäudes in digitaler Form durch das Building Information Modelling (BIM).

Während die genauen Folgen sehr kleinteilig ausfallen, lässt sich generell sagen: Was früher dem Platin-Standard entsprach, wird künftig „nur“ noch mit DGNB-Gold zertifiziert werden können. Damit ist zwar keine Abwertung der bestehenden mit Gold zertifizierten Immobilien verbunden, wohl aber der Druck, in Zeiten ohnehin schon hoher Baukosten noch mehr Nachhaltigkeitsmaßnahmen umzusetzen – die zum Teil keinen direkten Effekt auf den Nutzer der Immobilie haben. Hier müssen Entwickler also Fingerspitzengefühl beweisen und ein möglichst hohes Nachhaltigkeitsniveau realisieren, ohne gleichzeitig die Kaltmiete zu sehr anheben zu müssen.

Artikel-8- und -9-Fonds geben den Standard vor

In Zukunft wird der Anteil an zertifizierten Neubauimmobilien nochmals zunehmen – allein schon aus dem gewachsenen ESG-Bewusstsein der Investorenseite heraus. Gemäß der EU-Offenlegungsverordnung müssen Immobilienfonds unterschiedlich klassifiziert werden. Während Artikel-6-Fonds keine besonderen Nachhaltigkeitsmerkmale erfüllen, handelt es sich bei Artikel-8-Fonds um sogenannte „grüne“ und bei Artikel-9-Fonds um „dunkelgrüne“ Fondsprodukte. In den kommenden Jahren wird eine deutliche Zweiteilung der Märkte erwartet. Während es immer auch Artikel-6-Fonds geben wird, gelten diese jedoch für immer weniger Investorenprofile als geeignet. Dementsprechend ist es sehr wahrscheinlich, dass Artikel-8-Produkte zum Standard werden – und dass die darin enthaltenen Logistikimmobilien intern oder extern zertifiziert werden.

Herausragende Immobilien, die sehr hohe Nachhaltigkeitsniveaus bieten und das institutionelle Kapital stark anziehen, könnten künftig verstärkt zu „dunkelgrünen“ Fonds gebündelt werden. Es bleibt daher spannend zu beobachten, wie sich die Fondslandschaft im Bereich der Artikel-9-Produkte weiterentwickeln wird – die bislang noch einen geringen Anteil hat.

Für die Mieter von Logistikimmobilien bedeutet dies, dass zwar mehr zertifizierte Flächen entwickelt werden. Jedoch dürfte die Nachfrage nach diesen Immobilien deutlich schneller wachsen als der Bestand. Insbesondere die Anforderungen der jeweiligen Auftraggeber aus Industrie und Handel sorgen dafür, dass der ökologische Fußabdruck von Logistikdienstleistern und ähnlichen Akteuren deutlich schmaler werden muss. Dementsprechend kommt auch der Immobilie als Teil der Supply Chain eine neue Aufmerksamkeit zu. Die möglichen Effizienz- und Wettbewerbsvorteile kristallisieren sich immer weiter heraus. Aus diesem Grund sollten Logistikdienstleister bei der nächsten Immobilienentscheidung sehr genau auf die ESG-Kriterien schauen – wobei ein Zertifikat grundsätzlich dabei hilft, die einzelnen Parameter zu vergleichen.

Dieser Artikel erschien am 17.04.2024 im DVZ-Magazin.

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