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Das Vokabular muss sich ändern

26. Jan 2024

Matthias Haack  |  Mähren AG

Schluss mit „Rallyes“ und „Schockstarre“ – warum wir lernen müssen, anders über Immobilien zu sprechen, erläutert Matthias Haack in seinem Kommentar.

Eineinhalb Jahrzehnte Immobilienboom sind auch an unserem Sprachgebrauch nicht spurlos vorbeigegangen. Während dieser Zeit sind uns Begriffe in Fleisch und Blut übergegangen, die nicht gerade von Bescheidenheit geprägt waren: Investiert wurde im „sicheren Hafen“, überall gab es „Rekordjahre“ mit ihren „Jahresendrallyes“ und Immobilien waren als Investment ohnehin „alternativlos“, während Transaktionen nicht als Geschäftsabschlüsse, sondern profan als „Deals“ bezeichnet wurden. All diese Wendungen und Wörter kamen nicht nur in PR- und Marketing-Botschaften regelmäßig vor, sondern auch in Research-Berichten und anderen Formaten, in denen es vor allem um Zahlen, Daten und Fakten ging.

Inzwischen hat der Wind auf den Märkten gedreht. Beim Vokabular ist das aber nur teilweise der Fall. Geblieben ist unter anderem die Neigung zur Übertreibung: Die gegenwärtige Situation biete „historische Kaufchancen“, und ohnehin sei ja alles langfristig nicht so schlimm, denn die „Megatrends sind intakt“. Einige Aussagen mögen im Kern wahr sein, aber ist es angemessen, jetzt mit diesen Plattitüden die Lage am Immobilienmarkt zu beschreiben?

Geht es hingegen um negative Aussagen, ist der Hang zur Eskalation unverkennbar. CEOs werden „abgesägt“, Projektentwickler sind „im freien Fall“, Banken „in Schockstarre“ und eine „Welle von Insolvenzen überrollt“ uns. Und so oder so müssen wir erst einmal bis ins Jahr 2025 überleben – nicht nur, weil sich das auf Englisch so schön reimt.

Die sprachliche Zündschnur wird kürzer
Die Art, in der wir – quasi ohne Ausnahme – über Immobilien und die Immobilienbranche sprechen, ist aus zwei Gründen problematisch. Erstens, weil Sprache Realität schaffen kann. Je kritischer wir über Probleme reden, desto negativer denken wir darüber und desto schwieriger wird es dann auch in Wirklichkeit. Wenn wir umgekehrt alles Negative ignorieren und zwanghaft positiv denken wollen, fehlt uns die Faktengrundlage, um richtig zu handeln. Deshalb ist jetzt eine zurückhaltende und besonnene Kommunikation umso wichtiger, um die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Der zweite Grund ist jedoch noch relevanter: Die breite Öffentlichkeit war noch nie sonderlich gut auf die Immobilienbranche zu sprechen. In einer Zeit, in der die Baufertigstellungszahlen drastisch zurückgehen und die Mieten immer weiter steigen, sinkt die Toleranzgrenze nochmals. Ganz davon abgesehen, dass die Zukunft unserer Innenstädte auf dem Spiel steht, wenn wir als Branche nicht die passenden Antworten auf die innerstädtischen Projekte finden, die nun in Schieflage sind. Oder anders gesagt: Wer täglich an verwaisten Baustellen vorbeigehen muss, möchte von der Immobilienbranche weder einen selbstgefälligen noch einen anklagenden oder fatalistischen Satz in den Medien lesen.

Auch weil die sprachliche Zündschnur ohnehin schon immer kürzer wird, ist es umso wichtiger, zu deeskalieren, besonnen zu kommunizieren und die wahren Werte der gesamten Immobilienbranche sowie deren Wertschöpfung und gesellschaftliche Relevanz in den Vordergrund zu stellen.

Dieser Artikel erschien am 25.01.2024 online auf Immobilienmanager.de.

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