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Das Warten auf verbindliche Vorgaben lohnt sich nicht

3. Jul 2022

Christian Paul  |  Fundamenta Group

Dunkelgrün, hellgrün oder grau? Anbieter von Immobilienfonds müssen wie alle anderen Kapitalanlagegesellschaften seit März 2021 Farbe bekennen. Gemeint ist damit die Einordnung ihrer Fonds im Sinne der EU-Offenlegungsverordnung: Ist Nachhaltigkeit ein wesentliches Anlageziel (Artikel 9), ist sie ein weiteres wichtiges Ziel neben der Erzielung von Rendite (Artikel 8), oder berücksichtigen sie keinerlei ökologische oder soziale Kriterien (Artikel 6)?

Die meisten Unternehmen vertun bislang die Chance, sich mit ihren Produkten als nachhaltigkeitsbewusst zu positionieren – und das obwohl sie dazu in vielen Fällen in der Lage wären. Das könnte daran liegen, dass es in den letzten Monaten öffentlichkeitswirksame Fälle von „Greenwashing“ gab, bei denen Firmen bezichtigt wurden, entsprechenden Versprechungen nicht gerecht zu werden. Die Angst dürfte nun bei vielen Anbietern groß sein, dass ihnen – verbunden mit empfindlichen Reputationsschäden – Ähnliches widerfahren könnte.

Die Kehrseite dieser Vorsicht ist, dass die Unternehmen damit an einem Auslaufmodell festhalten und auf dem wachsenden Markt für nachhaltige Fonds ins Hintertreffen geraten. So hat das Investmenthaus Empira in einer Umfrage ermittelt, dass die Mehrheit der Investoren von einem Fonds mittlerweile erwartet, dass er sich als nachhaltig im Sinne von Artikel 8 oder 9 qualifiziert. In Produkte, die das nicht tun, will demnach zukünftig nur noch ein Viertel der Anleger investieren.

Als Grund für ihre Zurückhaltung geben Fondsgesellschaften oft an, die Definition von „nachhaltig“ sei unscharf. Das ist zwar richtig, aber keine Entschuldigung fürs Nichtstun. Bei einem jungen regulatorischen Thema wie der Nachhaltigkeit ist es völlig normal, dass Regelwerke wie die EU-Taxonomie bislang nur für einen kleinen Teil unternehmerischer Tätigkeiten verbindlich festlegen, welche als nachhaltig gelten dürfen. Der weitere Ausbau wird noch Jahre dauern.

Sich aber bis dahinter zu verstecken, ist keine Option. Denn solange es keine Verbindlichkeit gibt, steht es den Unternehmen frei, eigene Kriterien zu definieren. Und gerade die Immobilienwirtschaft bietet viele unterschiedliche Anknüpfungspunkte zum Themenkomplex Nachhaltigkeit – von der Energieeffizienz von Gebäuden bis hin zu sozialer Mietpreispolitik. Wer nachvollziehbare Kriterien wählt, ein Scoringmodell entwickelt, um Ankaufsziele und den Bestand anhand dieser Kriterien zu bewerten, und die Einhaltung transparent kommuniziert, macht schon sehr viel richtig.

Nachhaltigkeit koste Rendite, ist ein weiteres Argument, das Zauderer oft anführen. Auch hier gilt: Die Aussage ist korrekt, aber sie taugt nicht als Argument. Denn noch nie ging es beim Investieren um Rendite allein. Schon immer mussten Investments auch Kriterien in puncto Risiko und Liquidität erfüllen. Nachhaltigkeit kommt nun als neue und wichtige Dimension hinzu. Wer zugunsten höherer Rendite Nachhaltigkeitsstandards missachtet, erweist sich selbst einen Bärendienst, denn er wird immer weniger Investoren finden.

Dieser Artikel erschien am 17.6. auf HANDLESBLATT INSIDE REAL ESTATE.

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