Wohninvestments in Deutschland – Dezember 2023
6. Dez 2023
6. Dez 2023
Liebe Leserinnen und Leser,
schon neigt sich das Jahr seinem Ende entgegen und es beginnt die Zeit der Rückblicke, aber auch der Ausblicke. Klar ist: Das Jahr 2023 war kein einfaches für viele Unternehmen im immobilienwirtschaftlichen Umfeld: Bewertungskorrekturen, Insolvenzen, Stornierungen bestimmten oftmals das Bild. Die Folgen der Zinswende sind deutlich zu spüren.
Doch auch die politische Initiative vonseiten der Bundesregierung und Bundesländer war deutlich zu spüren – zuletzt zusammengefasst in einem ambitionierten 14-Punkte-Programm, das viele wichtige Ideen zusammenfasste, um den Wohnungsbau in Deutschland nachhaltig anzukurbeln.
Unterm Strich zählt: Auch der optimistische Blick nach vorn ist nach wie vor angebracht, trotz aller Unzulänglichkeiten gibt es noch immer Chancen: Wie entwickelt sich der europäische Wohnimmobilienmarkt? Welchen Einfluss hat die Inflation auf die Investitionen? Wo könnten neue Wohnprojekte entstehen? Und schließlich: Warum geht es 2024 wieder aufwärts? All diese Fragen behandeln unsere Experten im aktuellen WID-Newsletter.
Wir wünschen eine informative Lektüre. Und kommen Sie gut und gesund durch die Weihnachtszeit und den Jahreswechsel!
JMS und HFR
Dr. Marcus Cieleback | Chief Urban Economist, PATRIZIA SE
Auch wenn sich die Lage an den Kapitalmärkten im Nachgang zu den schnellen Zinsschritten der Zentralbanken weitgehend beruhigt hat, bleibt das wirtschaftliche Umfeld herausfordernd. Die massive Zunahme geopolitischer Konflikte bis hin zu militärischen Auseinandersetzungen trägt derzeit erheblich zur wirtschaftlichen Unsicherheit bei, belasten das Wachstum und beeinflussen das Anlageverhalten institutioneller Investoren. Hinzu kommen die weiterhin zu hohe Inflation und die deutlich restriktiver gewordene Geldpolitik. Das alles wirkt sich auch am Wohnimmobilienmarkt aus. Höhere Bau- und Finanzierungskosten, wieder attraktiver verzinste konkurrierende Assetklassen sowie Unsicherheiten bezüglich der Bewertungen belasten die Neubautätigkeit und das Transaktionsgeschehen. Doch bei fundamentaler Betrachtung spricht nach wie vor viel für die Wohnimmobilie.
Das weltweite Transaktionsvolumen bei Wohnimmobilien ist im laufenden Jahr um rund die Hälfte zurückgegangen, in Europa sogar um 60 Prozent. Es ist ein vorsichtiger, zurückhaltender Transaktionsmarkt, der auf ein Zinsplateau wartet – das sich nunmehr zu bilden scheint. Interessanter sind die Transaktionen, die trotzdem noch stattfanden: Sie waren spezialisierter, informierter. Grenzüberschreitende Transaktionen in die EMEA-Region sind nur um knapp 40 Prozent zurückgegangen, und Europa bleibt mit rund 70 Prozent aller Transaktionen das beliebteste Ziel für grenzüberschreitende Wohninvestments.
Keine Entspannung an den Mietmärkten zu erwarten
Im Rahmen des Transaktionsrückgangs zeigt sich auch, welche Teilbereiche des Wohnimmobiliensektors in Europa aktuell weiterhin relativ interessant sind. So ist das Transaktionsvolumen von Studentenwohnungen nur um knapp 14 Prozent zurückgegangen. Das spricht für die Resilienz des Wohnimmobilienmarkts im Allgemeinen und von Nischennutzungen im Besonderen, da antizyklische Käufe in konstant nachgefragten Segmenten weiterhin stattfinden. Noch relevanter als das Transaktionsgeschehen ist jedoch die mangelnde Bautätigkeit, die insbesondere in den Ballungsräumen kaum zu einer Entspannung des Markts führen dürfte. Da die durch Urbanisierung und demografischen Wandel steigende Nachfrage nicht durch ein größeres Angebot gedeckt werden kann, führt dies tendenziell zu weiter steigenden Preisen und Mieten. Im aktuellen Umfeld steigender Finanzierungs- und Materialkosten verzögert sich der Neubau noch zusätzlich.
Das knappe Angebot an Wohnimmobilien führt zu einer komfortablen Situation für institutionelle Investoren. Trotz des schrumpfenden Renditeabstands zu Anleihen können sie von den stabilen Cashflows und attraktiven risikobereinigten Renditen von Wohnimmobilien in einem inflationären Umfeld profitieren. Aus diesem Grund werden Investoren weniger auf die Realisierung des günstigsten Einkaufspreises achten, sondern vielmehr auf eine langfristig positive Mietentwicklung setzen, die durch eine nicht nachlassende Nachfrage, hohe Bau- und Finanzierungskosten und damit einen Rückgang der Bautätigkeit sowie steigende Anforderungen an die Umsetzung von ESG-Kriterien fundamental gestützt wird.
Wohnen wandelt sich strukturell
Die Erfüllung von ESG-Kriterien beinhaltet die Beantwortung einer sozialen Frage, die in einem angebotsschwachen Umfeld zwangsläufig entsteht. Da abgesehen von Irland die Fertigstellungen und die Projektpipelines derzeit schrumpfen, spüren vor allem Haushalte mit niedrigem und mittlerem Einkommen die Auswirkungen der Angebotslücke. Das stellt die Immobilienwirtschaft vor die Aufgabe, die ESG-Kriterien in allen Dimensionen umzusetzen, und nimmt die Investoren in die Verantwortung. Insbesondere erfahrene Marktteilnehmer profitieren hierbei von ihrer Expertise in Planung und Management.
Eine Chance besteht darin, die steigende Zahl an Ein-Personen-Haushalten zu betrachten. Zwischen 2010 und 2020 nahm diese Gruppe in Europa mit knapp einem Fünftel überdurchschnittlich stark zu. Ein-Personen-Haushalte zeigen tendenziell eine größere Nachfrage nach Mietwohnungen als andere Gruppen. Insbesondere junge, städtische und alleinlebende Fachkräfte bevorzugen das Wohnen zur Miete, um flexibel auf Arbeitsplatzwechsel oder Veränderungen ihrer Lebensumstände reagieren zu können.
Europa bleibt solide
Es ist diese strukturell starke Nachfrage im Mietsegment, welche die Situation auf dem europäischen Wohnimmobilienmarkt stützt. Die Auswirkungen von Krieg, Inflation und Zinsen sowie Kosten ändern nichts daran, dass das Missverhältnis von Angebot und Nachfrage zu weiter steigenden Mieten führt. Das sinkende Transaktionsvolumen ist dabei nur bedingt aussagekräftig, da Investoren die Merkmale dieser Anlageklasse weiterhin schätzen. Trotz aktuell geringerer Rentabilität im Vergleich zu Anleihen sind Wohnimmobilien nach wie vor eine inflationsgeschützte und stabile Investitionsmöglichkeit, sofern Lage und Qualität gegeben sind. Besonders bedeutend sind in diesem Zusammenhang Städte wie Malmö, Wien, Helsinki, Paris, die deutschen Metropolen sowie die Randstad-Region. In Barcelona und Dublin sind Ein-Personen-Haushalte besonders weit verbreitet.
Ein-Personen-Haushalte und demografischer Wandel weisen darüber hinaus auf zwei besonders interessante Nutzungsarten: Sowohl Senior- als auch Student-Living profitieren in Europa von den strukturellen gesellschaftlichen Veränderungen durch Urbanisierung. Insbesondere Paris, London und Madrid ziehen viele internationale Studenten an, während Wien und Stockholm von heimischen Studierenden geprägt sind. Der europäische Wohnimmobilienmarkt bietet somit weiterhin Chancen, es gilt lediglich, die individuellen Gelegenheiten auf Stadtebene zu identifizieren.
Alexander Hupe | Vorstand (CPO), MY HOUSE AG
Die Zinsentwicklung gibt Anlass zur Sorge. Denn nach wie vor belegen die Inflationsdaten eine hartnäckige Geldentwertung über der angestrebten Zielmarke, welche die EZB bei zwei Prozent sieht.
Weil die Geldentwertung aber auf absehbare Zeit über zwei Prozent bleiben dürfte, signalisiert die EZB anlässlich ihrer Ende Oktober beschlossenen Zinspause, dass es für Zinssenkungen noch zu früh zu sei. Dafür müsse die Inflation weiter zurückgehen. So gesehen überrascht es nicht, dass viele institutionelle Anleger mit Blick auf Investitionen in Wohnimmobilien in der aktuellen Situation abwarten. Neben dem Preisanstieg bei den Baukosten infolge der Inflation spielt die Finanzierungsfrage eine wesentliche Rolle, ausgelöst durch die Probleme mit Projektentwicklungen und einer zunehmenden Zurückhaltung bei der Baufinanzierung durch Banken. Die Folge: Bereits in den vergangenen drei Jahren ist die Zahl der fertiggestellten Wohnungen im Neubaubereich in Deutschland rückläufig.
Neubauziele der Bundesregierung sind Makulatur
Die Neubauziele der Bundesregierung sind mittlerweile Makulatur, so die übereinstimmende Einschätzung am Markt. Der Gesamtverband der Wohnungswirtschaft GdW erwartet, dass ein Drittel der Wohnungen, die 2023 und 2024 fertig werden sollten, gar nicht mehr gebaut wird. Schätzungen zufolge ist der Wohnungsmangel mit einem Defizit von 700.000 Einheiten derzeit größer als je zuvor.
Diese Entwicklungen tragen in Summe dazu bei, dass sich all jene Menschen in Deutschland, die bereits heute von der akuten Wohnungsknappheit betroffen sind, auch in den nächsten Jahren auf einen chronischen Nachfrageüberhang einstellen müssen. Immer mehr Menschen konkurrieren also um weniger neu geschaffenen Wohnraum und in der Folge steigen die Mieten.
Große Chancen für institutionelle Investoren
Und gerade darin liegt eine Chance für jene institutionellen Investoren, die in die Assetklasse Wohnimmobilien investieren wollen. Allerdings ist dieser Investorengruppe angesichts der Kluft zwischen Kaufkraft und dem in Deutschlands größten Metropolen mittlerweile erreichten Mietpreisniveau im Neubausegment klar, dass unerschwingliche Neubauten an diesen Standorten weder den Wohnungsnotstand im Mietsegment mit dem dringlichsten Wohnbedarf beseitigen noch unter dem Rendite-Risiko-Aspekt eine attraktive Anlage darstellen.
Immobilien mit Instandhaltungsstau eröffnen Opportunitäten
Die einzig praktikable Lösung besteht also darin, die zahlreichen gut gelegenen, aber teilweise leerstehenden Bestandswohnungen in den deutschen Städten zu revitalisieren und wieder bewohnbar zu machen. Gerade in kleineren Großstädten existieren nach wie vor unzählige Objekte mit Instandhaltungsstau, die von der professionellen Immobilienwirtschaft bisher eher vernachlässigt wurden, da die meisten Akteure auf Lagen innerhalb der Top-7-Städte oder der klassischen B-Städte wie Hannover oder Dresden gesetzt haben.
Fondsmanager mit Entwicklerkompetenz
Deshalb ist es in der aktuellen Situation mit rückläufigen Wohnimmobilienpreisen für Fondsmanager mit Entwicklerkompetenz möglich, Bestandsobjekte zu günstigen Konditionen einzukaufen und mit den richtigen Maßnahmen aufzuwerten, sodass sich eine signifikante Wertsteigerung der Objekte einstellt, die wir an unsere Investoren weiter geben und die Miete dennoch „bezahlbar“ bleibt. Aufgrund dieser positiven Wertänderungsrendite können institutionelle Investoren Renditen über denjenigen von festverzinslichen Anlagen im aktuellen Markt erzielen, ohne dass – wie erwähnt – die Mietpreise übermäßig angehoben werden müssen. Auf diese Weise wird bezahlbarer Wohnraum gesichert, der verglichen mit dem Neubau nur etwa die Hälfte an Erstellungskosten je Quadratmeter kostet.
Mein Fazit: In der aktuellen Situation mit rückläufigen Wohnimmobilienpreisen ist es für Fondsmanager mit Entwicklerkompetenz möglich, Bestandsobjekte zu günstigen Konditionen einzukaufen und mit den richtigen Maßnahmen aufzuwerten, sodass sich eine signifikante Wertsteigerung der Objekte einstellt und die Miete dennoch „bezahlbar“ bleibt. Institutionelle Investoren haben hier die Möglichkeit, in die Assetklasse Wohnimmobilien in einem Marktsegment zu investieren, das steten Cash-Flow und stabile hohe Nachfrage nach dem Produkt in sich vereint.
Philipp Maas | Growth Strategy Advisor, PropRate
Der Immobilienmarkt ist aktuell anspruchsvoll. Umso wichtiger ist es für Kapitalanleger, sich eingehend mit dem Standort auseinanderzusetzen, bevor sie in eine Immobilie investieren.
Doch das ist gar nicht so einfach, denn die meisten Untersuchungen zur Auswirkung von Standortfaktoren auf den Wert von Immobilien beziehen sich eher auf die Gemeinde- oder Kreisebene. So quälen sich viele Anleger durch eine Vielzahl unterschiedlicher Analysen, die sie dann auch noch miteinander vergleichen müssen.
Was sie eigentlich benötigen, ist eine Analyse zu Immobilienstandorten, die so viele Orte in Deutschland abdeckt wie möglich – von der Mikrolage bis hin zur Städteebene – und dabei alle relevanten Faktoren, und dazu gehört beispielsweise auch die demografische Entwicklung, berücksichtigt. Nur auf diese Weise können sie Klarheit darüber gewinnen, welche Renditechancen ein Objekt an einem bestimmten Standort hat.
Die Bewertungsplattform PropRate hat mehr als 106.000 Immobilieninserate in den 80 größten deutschen Städten inklusive ihrer Stadtviertel ausgewertet, wobei alle Inserate der großen Immobilienplattformen betrachtet wurden.
Auffälliges Nord-Süd-Gefälle
Die Ergebnisse sind interessant: Bei deutschen Kapitalanlageimmobilien ist ein auffälliges Nord-Süd-Gefälle zu erkennen. Die Stadt Gelsenkirchen im Ruhrgebiet ist demnach eines der besten Pflaster für Kapitalanleger. Vor allem in Lagen, in denen Immobilien zu niedrigen Kaufpreisen angeboten werden und gleichzeitig mit einer dynamischen Entwicklung der Mietpreise zu rechnen ist, können Kapitalanleger starke Renditen erwarten.
Große Unterschiede gibt es in den Metropolen: Berlin hat das beste Rating unter den A-Städten erzielt. Die Metropolregion München gilt dahingegen als unattraktiv, auch Stuttgart hat schlecht abgeschnitten. Dieses Ergebnis lässt sich darauf zurückführen, dass in diesen wirtschaftlich starken Städten die Immobilienpreise vergleichsweise hoch sind, sie aber in keinem geeigneten Verhältnis zu den Mieten stehen – es ist mit einer vergleichsweise geringen Rendite zu rechnen.
Unbedingt Mikrolage beachten
Ein Aspekt, den Kapitalanleger unbedingt berücksichtigen sollten, ist die Mikrolage. Denn je nach Stadtteil können sie innerhalb derselben Stadt mit ganz unterschiedlichen Renditen rechnen. Innerhalb Berlins variieren die Ergebnisse beispielsweise stark: So erzielte Wartenberg (Ortsteil im Bezirk Lichtenberg) ein Ergebnis von 3,41 von fünf möglichen Sternen, Niederschönweide (Ortsteil im Bezirk Treptow-Köpenick) erreichte jedoch nur 1,79 Sterne. Wer die Hauptstadt in ihrer Vielfalt kennt, wird sich darüber kaum wundern – die Ortsteile selbst innerhalb derselben Bezirke unterscheiden sich teilweise so stark voneinander, dass man manchmal den Eindruck hat, sich nach dem Einbiegen in eine Straße in einer anderen Stadt aufzuhalten.
Was benötigen Anleger also, um eine fundierte Entscheidung treffen zu können? Die Begehung vor Ort lässt sich kaum ersetzen und sollte auch stattfinden, wenn möglich. Um die Angebote vorab zu sortieren oder nach der Besichtigung eine Entscheidung zu treffen, sollten sie eine Bewertungsplattform nutzen, die den Standort anhand möglichst vieler Daten analysiert. Auf diese Weise können sie beispielsweise auf einen Blick feststellen, in welchen Städten und Stadtteilen besonders viele Objekte angeboten werden – denn dort ist damit zu rechnen, dass die Kaufnachfrage eher schwach und die Preisflexibilität der Verkäufer eher hoch ist. Für die Top-8-Städte lässts sich so schon einmal eine klare Reihenfolge feststellen – die angebotenen Objekte waren in der Analyse wie folgt verteilt: Berlin (16.528), Hamburg (6635), München (5.821), Leipzig (4.093), Köln (3.616), Düsseldorf (2.881), Frankfurt a. M. (2.571), Stuttgart (2.138). Doch innerhalb der Städte gab es die meisten Angebote nicht in den einwohnerstärksten, sondern in den beliebtesten Stadtteilen – in Berlin handelt es sich hierbei etwa um den Ortsteil Friedrichshain. Wer eine Bewertungsplattform nutzt, sollte deshalb darauf achten, dass diese möglichst viele Faktoren berücksichtigt – denn Berlin ist nicht gleich Berlin.
PropRate nutzt einen selbstentwickelten Algorithmus, der alle wichtigen Faktoren wie beispielsweise Wertentwicklung, Lage, Angebotspreis, Mietpreis, objektspezifische Daten und Renditen berücksichtigt. Mithilfe der Ergebnisse wurde ein umfassendes Standortrating für die Eignung von Lagen und Objekten erstellt. Die Anleger können die Immobilien mithilfe einer Suchmaschine auf Grundlage dieser Daten bewerten lassen. Und das ist in Echtzeit möglich – denn einen klaren Vorteil hat, wer schnelle Entscheidungen treffen kann.
Jürgen Michael Schick, FRICS | Michael Schick Immobilien
Zeit der Krise – Zeit des Optimismus? Was auf den ersten Blick ein Widerspruch zu sein scheint, ist auf den zweiten Blick eine zutreffende Beschreibung des Zustands der Immobilienbranche. Denn trotz aller Negativmeldungen gibt es auch gute Nachrichten, denen gebührend Beachtung geschenkt werden sollte.
Doch zunächst einen Schritt zurück. Die Zustandsbeschreibung muss in der Tat bei der Krise anfangen, wobei es sich vornehmlich um eine Wohnungsbau- und Projektentwicklerkrise handelt. Dieses Jahr dürften Prognosen zufolge nur rund 245.000 Wohnungen fertig gebaut werden, bereits im Vorjahr waren es viel zu wenige, um die Nachfrage nach Wohnraum zu befriedigen – und meilenweit von der politischen Zielmarke von 400.000 Wohnungen pro Jahr entfernt.
Hinzu kommt: Die Auftragsstornierungen nehmen immer weiter zu. Gemäß einer Umfrage des ifo Instituts berichteten im Oktober 22,2 Prozent der Unternehmen über gestrichene Projekte. Im Vormonat hatte dieser Anteil bei 21,4 Prozent gelegen. Klar ist, dass eine krauchende Bau- und Immobilienbranche zahlreiche Nachteile für die Binnenkonjunktur mit sich bringt. Und Wohnungsmangel sowie damit einhergehende Mieterhöhungen belasten die Haushalte vor allem in den großen Städten – all das gehört zweifelsohne zur harten Realität.
Doch jenseits des Tellerrandes und einer oftmals selbstreferenziellen Berichterstattung, die sich mit Negativschlagzeilen zu überbieten versucht, gibt es sie dennoch: Die guten Nachrichten, die Hoffnung machen.
Die Baukosten beruhigen sich. Infolge der schwächeren Baunachfrage rechnen Experten spätestens im kommenden Jahr mit einem Rückgang der Baupreise. Zudem möchten Bund und Länder Bauordnungen und Baugenehmigungsprozesse verschlanken und stärker aufeinander abstimmen, was ebenfalls die Kosten drücken könnte.
Die Wohnungspreise sind nicht im freien Fall. Einer neuen Studie des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) zufolge sind die Preise für Eigentumswohnungen von Juli bis September um durchschnittlich 1,5 Prozent im Vergleich zum Vorquartal gesunken, wobei es vor allem regionale Einbrüche gab. In A-Städten wie Köln und Berlin sind die Preise demnach relativ stabil.
Die Schere zwischen Kaufpreisen und Mieten schließt sich. Während in den vergangenen Jahren die Preise für Eigenheime und Eigentumswohnungen kontinuierlich gestiegen sind, stagnierten die Mietpreise. Diese Entwicklung hat sich zunehmend verlangsamt, auf manchen Märkten sogar umgekehrt. So stiegen die Angebotsmieten in Berlin von 2022 auf 2023 um fast 19 Prozent, auch in anderen großen Städten zogen die Preise nach. Gleichzeitig wird die Nachfrage aufgrund der in Deutschland steigenden Bevölkerungszahl nachhaltig und langfristig hoch bleiben. Diese Entwicklung spricht dafür, dass Investitionen in Wohnimmobilien zur Eigennutzung oder als Kapitalanlage wieder attraktiver werden – und damit den Immobilienmarkt beleben werden.
Der Bestand erlebt eine Renaissance. Bestandsimmobilien – insbesondere Mehrfamilienhäuser – sind in den zurückliegenden Monaten in den Fokus der Investoren gerückt. Denn Anlagen in dieses Segment vereinen momentan mehrere Vorteile. Die Kaufpreise für diese Immobilienklasse sind in allen Top-7-Städten gesunken; in München und Stuttgart um fast zehn Prozent, um nur zwei Beispiele zu nennen. Gleichzeitig kosten Bestandsimmobilien etwa die Hälfte von dem, was Neubau derzeit kostet: Gründe genug, um diese Asset-Klasse in den Blick zu nehmen. Denn:
Der Käufermarkt ist eine Chance. Fakt ist: Selten in den vergangenen Jahren war die Gelegenheit, in Bestandsimmobilien zu investieren, so günstig wie heute. Vor allem für vermögende private und gewerbliche Investoren eröffnen sich ganz neue Möglichkeiten, solange sich institutionellen Investoren zurückhalten. Es gibt überhaupt wieder ein nennenswertes Angebot auf dem Markt, was vormals nicht der Fall war. Zusammenfassend könnte man also sagen: Es gibt momentan die Gelegenheit, Immobilien im Bestand zu Preisen von gestern mit den Mieten von morgen zu erwerben.
Und schließlich muss der Blick auf die Entwicklung des Leitzinses fallen, der früher oder später Einfluss auf die Bauzinsen haben wird. Die Europäische Zentralbank (EZB) war bislang bei der Bekämpfung der Inflation erfolgreich, sodass kürzlich auf eine neuerliche Erhöhung verzichtet wurde. Ob das schon für eine Trendwende auch bei den Bauzinsen ausreicht, bleibt abzuwarten. Trotzdem gilt auch hier: Vorsichtiger Optimismus ist nicht fehl am Platz.
Unterm Strich bleibt die Feststellung: Nicht überall herrscht Krise, und wer positive Trends erkennen will, der findet sie auch. Oder anders gesagt: Wo Schatten ist, ist auch Licht.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat am Sonntagabend bei einer Veranstaltung der Heilbronner Stimme ein „Umdenken“ in der Baupolitik gefordert, meldet die FAZ. Für die Wohnungsnot sei weniger das Zinsumfeld als der Mangel an Bauland verantwortlich. Eine Lösung schlug er vor: „Für ganz Deutschland kann man sagen: Wir brauchen wahrscheinlich 20 neue Stadtteile in den meistgefragten Städten und Regionen – so wie in den Siebzigerjahren“. Das sei bisher, auch um weniger Flächen zu versiegeln, nicht gewollt gewesen. Das kommentiert Reiner Braun, Vorstand des Analysehauses Empirica, kritisch: „Wir erklären der Politik seit mehr als zehn Jahren, dass wir dringend zusätzliches Bauland brauchen – bislang weitgehend ohne Erfolg“. Es sei längst klar, dass der Schlüssel nicht allein in der Nachverdichtung, sondern in neuen Flächen liege. Da Nachverdichtungen vergleichsweise teuer seien und auf der grünen Wiese keine Nachbarn gestört würden, könne man mit modularer Bauweise günstigere Kaltmieten von 16 oder 17 Euro pro Quadratmeter statt der inzwischen üblichen 20 Euro realisieren. Andere Branchenvertreter griffen die Forderung des Bundeskanzlers auf und verwiesen auf den neuen Stadtteil Seestadt Aspern in Wien als positives Beispiel.
Der österreichische Immobilienkonzern Signa hat nach Informationen des Rundfunks Berlin-Brandenburg (rbb) alle Bauprojekte in Berlin gestoppt. Damit weitete sich die Krise des von René Benko gegründeten Unternehmens aus. Betroffen seien auch Prestigeprojekte wie das Karstadt-Haus am Hermannplatz und Infrastrukturprojekte wie der Umbau des Bremsenwerks am Ostkreuz. Unabhängig davon, ob sich die Projekte noch in der Planungs- und Beteiligungsphase befänden oder wie in der Passauer und Nürnberger Straße (City West) bereits im Bau seien, sei ein berlinweiter Baustopp verhängt worden. Die finanzielle Notlage bei Signa bewegt seit Sommer ehemalige Partner dazu, sich aus der Zusammenarbeit zurückzuziehen. So entzog etwa die Commerzbank-Tochter Commerz Real Signa den Auftrag für den Bau eines 32-stöckigen Hochhauses am Alexanderplatz. Im Zuge der Entwicklungen gab Benko Anfang des Monats die Führung der Signa-Gruppe ab und soll seine Stimmrechte an den Sanierungsexperten Arndt Geiwitz übertragen haben, der mit der Restrukturierung der Gruppe betraut wurde. In Schieflage geraten war die Signa-Gruppe unter anderem durch Abwertungen der „Signa Prima Selection“-Gesellschaft in Höhe von 1,17 Milliarden Euro durch gestiegene Zinsen.
Das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) meldete in der zweiten Novemberwoche weitere Preisrückgänge für deutsche Wohnimmobilien im dritten Quartal. Das jüngste Update des German Real Estate Index (GREIX), der in Zusammenarbeit von IfW und ECONtribute erstellt wird, zeigt im Durchschnitt rückläufige Bewertungen für alle Arten von Wohnimmobilien. So sind gegenüber dem Vorquartal Eigentumswohnungen (ETW) um 1,5 Prozent, Einfamilienhäuser (EFH) um 3,2 Prozent und Mehrfamilienhäuser (MFH) am stärksten um 5,9 Prozent gefallen. Gegenüber dem Vorjahresquartal gibt der GREIX noch stärkere Korrekturen der Bewertungen an (ETW: -10,5 Prozent; EFH -12,1 Prozent; MFH: -24,0 Prozent). Auch die Zahl der Immobilientransaktionen sei deutlich zurückgegangen, im Vergleich zum Vorjahresquartal habe es ein Drittel weniger Verkäufe gegeben. Die Entwicklungen verliefen allerdings nicht homogen, sondern regional sehr unterschiedlich. So gingen die Verkaufspreise für Eigentumswohnungen in allen deutschen Top-7-Städten mit Ausnahme von Köln durchgängig zurück, in Köln stiegen sie dagegen leicht um 1,1 Prozent. Berlin verzeichnete einen ausgesprochen moderaten Rückgang um 0,8 Prozent.