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Lebenslanger Kündigungsschutz

8. Nov 2020

Khaled Kaissar  |  Domicil Real Estate AG

Das Bürgerliche Gesetzbuch sieht vor, dass ein Mieter bei der Umwandlung seiner Miet- in eine Eigentumswohnung einen zusätzlichen Schutz vor Eigenbedarfskündigungen von drei Jahren erhält. Vielerorts in Deutschlands ist dieser Zeitraum inzwischen verlängert worden; in Berlin, Hamburg und in großen Teilen Bayerns gilt die sogenannte Kündigungssperrfrist bei einem Eigentümerwechsel zehn Jahre lang. Innerhalb dieser Frist darf ein Eigenbedarf somit nicht geltend gemacht werden. Dennoch sorgen sich viele Mieter, wenn sie von einem Eigentümerwechsel erfahren, insbesondere wenn das bisherige Mietshaus aufgeteilt wird und die Wohnungen einzeln verkauft werden.

Die derzeit heftig diskutierte Verschärfung der Umwandlungsregelungen ist indes der falsche Hebel, um die Situation zu entspannen und die Sorgen der Mieter zu lindern. Viel wichtiger und effektiver wäre die Ausweitung des Mieterschutzes im Zuge der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen. Die meisten Privaterwerber vermieteter Eigentumswohnungen sind Kapitalanleger, die angesichts niedriger Zinsen und der allgemeinen Unruhe am Kapitalmarkt ihre Altersvorsorge lieber mit Immobilien absichern als mit Aktien, Versicherungen und Sparbüchern. Weder sind häufige Mieterwechsel in ihrem Interesse, noch streben sie Eigennutzung an. Überdies ist längst bekannt, dass der Kauf einer vermieteten Wohnung zum Zwecke der Eigennutzung ein höchst riskantes Unterfangen ist und die Eigenbedarfskündigung vor Gericht heutzutage nur noch selten mit Erfolg durchgesetzt werden kann.

Vor allem die Angst vor steigenden Mieten bei einem Eigentümerwechsel ist in der Praxis übrigens ungerechtfertigt, das belegen nicht zuletzt Untersuchungen des Mieterbundes. Demnach gehen private Eigentümer weitaus weniger renditeorientiert mit ihrem Eigentum um als professionelle Vermieter. Ihnen ist eine sichere und regelmäßige Mieteinnahme ohne Mieterwechsel in der Regel wichtiger als die Erhöhung der Quadratmetermiete, die institutionelle Bestandshalter benötigen, um Renditeerwartungen ihrer Investoren zu erfüllen. Es ist also eher so, dass sich die Sorge des Mieters vor Mieterhöhungen in der Sorge des privaten Vermieters vor einer Kündigung seitens des Mieters infolge besagter Mieterhöhung spiegelt. In der Folge stellen private Vermieter Sicherheit vor Rendite – und ist bemüht, ein kollegiales und entspanntes Verhältnis zu seinem Mieter dauerhaft aufrechtzuerhalten.

Dennoch besteht eine allgemeine Verunsicherung, wann immer ein Vermieterwechsel ansteht. In den deutschen Großstädten werden bei Aufteilungen und Privatisierungen Kampagnen lanciert, zukünftige private Vermieter werden stigmatisiert, sei es als „Miethaie“, sei es als „Entmieter“. Das hat auch damit zu tun, dass rechtlich bei der Umwandlung mit Eigentümerwechsel zwar deutliche Verschärfungen des Kündigungsschutzes gelten, diese aber offensichtlich nicht zu der angezeigten Beruhigung der Mieter beitragen.

Ein Blick auf die Rechtslage: Die Aufteilung einer Immobilie nach dem Wohnungseigentumsgesetz, also die sogenannte Umwandlung, ändert nichts an der Art der Wohnung – auch eine vermietete Eigentumswohnung ist und bleibt eine Mietwohnung. Nicht erst die Aufteilung eines Hauses gibt dem Vermieter die Möglichkeit, einem Mieter wegen Eigenbedarfs zu kündigen. Diese Möglichkeit hat auch der Eigentümer eines ganzen Hauses, wenn er eine der Wohnungen im Haus für sich oder seine Familie benötigt. Das Risiko einer Eigenbedarfskündigung entsteht also mitnichten erst durch die Aufteilung. Das Problem für den Mieter ist demnach auch nicht die Umwandlung, sondern vielmehr die gesetzliche Möglichkeit zur Eigenbedarfskündigung. Diese Lücke gilt es zu schließen.

Um Mietern die Sorgen und Ängste vor Verdrängung zu nehmen, brauchen wir daher ein lebenslanges Kündigungsschutzrecht. Das Signal einer solchen Regulierung wäre klar: Mieter, ihr müsst keine Angst vor einem neuen Vermieter haben, unabhängig davon, ob der Vermieter das ganze Haus erwirbt oder eine einzelne Wohnung. Zudem trüge diese Ausweitung des Kündigungsschutzes dazu bei, dass die starren Fronten zwischen Mietern und Vermietern aufgelöst würden. Ich persönlich bin die Hitzigkeit und zunehmende ideologische Aufladung der Debatten leid – und geholfen haben sie ja auch niemandem, wie die Preisentwicklungen am Wohnimmobilienmarkt zeigen.

Eine solche Regelung würde denn auch für völlige Klarheit sorgen: Eigenbedarfskündigungen sind für die Lebenszeit des Mieters ausgeschlossen; die mit dieser Klarheit einhergehende Entlastung der Zivilgerichte wäre ein begrüßenswerter Nebeneffekt. Schließlich griffe eine derartige Regelung die schon heute gelebte Praxis bei Privatisierungen auf, da sich private Erwerber vermieteter Wohnungen an einem weiteren Verbleib ihrer Mieter in den Wohnungen kaum stören. Den wenigen schwarzen Schafen aber, die es mit Sicherheit auch bei Privatisierungen gibt, würde das Leben durch eine solche Regelung schwerer gemacht. Die Ausweitung des § 577 BGB schlösse die Entmietung kategorisch aus und entfaltete, immer wenn nötig, eine abschreckende Wirkung.

In Deutschland erfolgen der Verkauf und der Erwerb einer vermieteten Wohnung immer inklusive des Mietvertrags. ‚Kauf bricht nicht Miete‘ ist der Wortlaut des Gesetzes. Buchstäblicher lässt sich der Grundsatz der sozialen Marktwirtschaft nicht ins Mietrecht übertragen. Die jetzt geplante Verschärfung von Umwandlungen hat hingegen nichts mit Mieterschutz gemein, sondern stellt die Bildung von Eigentum vor einen strikten Genehmigungsvorbehalt. Was das mit dem aktuellen Entwurf zu einem ‚Gesetz zur Mobilisierung von Bauland‘ zu tun hat, bleibt selbst bei wohlwollendster Betrachtung der Thematik schleierhaft. Dass damit einer ganzen Generation, die finanziell kaum mehr in der Lage ist, eigenständig für das Alter vorzusorgen, ein weiterer Bärendienst erwiesen wird, sollte die Gesellschaft aufhorchen lassen. Hier werden unter dem Anschein eines vermeintlich mieterfreundlichen Gesetzes Wohlstand und Eigenverantwortung wegreguliert. Gleichzeitig wird der erhoffte Einfluss auf die Mietentwicklungen ausbleiben, da infolge der ebenfalls immer strengeren Mietgesetze immer weniger freie Wohnungen zur Miete angeboten werden.

Dieser Artikel erschien am 6.11. in der FAZ.