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Nachhaltigkeitsprüfung auf ‚Herz und Nieren‘

4. Jul 2021

Tobias Huzarski  |  Commerz Real

Der Begriff „Diligence“ hat seinen Ursprung fernab heute bekannter Due-Diligence-Prozesse. Im Jahr 1841 nahm die Mobilität in Deutschland an Fahrt auf, und mit der Einführung der Schnellpostkutsche, der sogenannten Diligence – die der bis dato herkömmlichen Postkutsche technisch weit voraus war – benötigte man für viele Distanzen nur noch halb so viel Zeit. Auch die Effizienz dieses neuartigen Fortbewegungsmittels prägte das neue Reisezeitalter, denn die Diligence war minutengenau nach einem engen Zeitplan getaktet. Neben Passagieren wurden so auch Nachrichten, Zeitungen und Briefe schneller und zuverlässiger transportiert, was für damalige Verhältnisse einen deutlich beschleunigten Informationsfluss mit sich brachte.

Die Schnellpostkutsche war somit ein Vehikel, das das Verhältnis zu Raum und Zeit veränderte. Zeitliche Distanzen schrumpften, räumliche wurden ausgeweitet. Genau an diesem Punkt schlägt die Diligence-Kutsche die Brücke zur Kernherausforderung der Nachhaltigkeit: Die Auswirkungen wirtschaftlicher Aktivitäten auf unser Ökosystem gehen zeitlich und räumlich über das ‚Hier und Jetzt‘ hinaus – wie können wir in diesem Zusammenhang Investitionen auf ihre Nachhaltigkeit hin überprüfen? Die Antwort ist eng verwoben mit der wachsenden Bedeutung der heutigen ‚Impact Due Diligence‘ bei Immobilien.

Hierbei lassen sich Parallelen zur damals revolutionären Schnellpostkutsche Diligence erkennen. Bis vor einigen Jahren wurden Nachhaltigkeitsrisiken entlang der ESG-Faktoren (Environment, Social, Governance) hauptsächlich in die Ankaufs- und Due-Diligence-Prüfung integriert, um betriebswirtschaftliche, rechtliche oder reputatorische Risiken zu antizipieren. Eine Nachhaltigkeitsprüfung im Sinne der Impact-Due-Diligence geht jedoch zeitlich über den Investitionszeitraum hinaus und betrachtet die Auswirkungen der Investition auf die Umwelt sowie soziale und unternehmensbezogene Aspekte über ihren Lebenszyklus hinweg. Dabei wird der Horizont zeitlich und räumlich nicht auf den Standort der Investition beschränkt. Vielmehr werden vor dem Hintergrund unserer vernetzten und globalisierten Welt auch über nationale Grenzen hinaus beispielsweise Lieferketten geprüft. Dahinter steht die grundlegende Intention des Impact-Investments: Die Verknüpfung von Wirtschaftlichkeit mit ökologischen und/oder sozialen Zielsetzungen.

Vor diesem Hintergrund prüfen sogenannte Climate Impact Funds Investitionen auf drei Kriterien hin: Zunächst wird sichergestellt, inwiefern die Investition eine messbare ökologische Wirkung zeigt und einen positiven Beitrag zum Klimaschutz leistet. In einem zweiten Schritt erfolgt eine Analyse zur Vereinbarkeit der Investition mit weiteren Nachhaltigkeitszielen, beispielsweise dem Schutz von Biodiversität. Schließlich wird auch die Einhaltung bestimmter Mindeststandards hinsichtlich sozialer Belange und Governance-Praktiken beurteilt.

Eine Kernherausforderung liegt nun darin, die vorgegebenen Impact-Ziele und somit auch den angestrebten Anlageerfolg möglichst exakt und vor allem mess- und nachprüfbar zu definieren. Die Vermögenswerte von Climate Impact Funds verfolgen vor allem die Ziele Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel. Aus diesem Grund dienen die Lebenszyklusemissionen der jeweiligen Investition als Maßstab zur Wirkungsmessung. Die Obergrenze des CO2-Ausstoßes liegt beim Impact-Fonds ‚klimaVest‘ bei maximal 100 Gramm je produzierte Kilowattstunde, wodurch fossile Brennstoffe kategorisch ausgeschlossen werden. Da Impact-Investments jedoch vordergründig für positive Wirkung stehen, wird neben diesem Ausschlusskriterium auch der jeweilige Beitrag zum Klimaschutz gemessen. Für Investitionen in erneuerbare Energien bietet sich zum Beispiel die Gesamtmenge des erzeugten Ökostroms an oder der Stromanteil der Investition am Gesamtstromsystem des jeweiligen Landes oder der Europäischen Union.

Die Erfüllung eines Impact-Zieles allein ist jedoch kein hinreichendes Kriterium, um eine Investition als Impact-Investment zu klassifizieren. Gemäß dem ganzheitlichen Nachhaltigkeitsansatz muss eine umfassende Betrachtung der Investition und der mit ihr einhergehenden Auswirkungen auf die Umwelt erfolgen. Dies wird durch die sogenannte ‚Do-Not-Significant-Harm‘-Prüfung (kurz: DNSH) abgedeckt. Dabei können sich Impact-Fonds an den in der EU-Taxonomie definierten sechs Umweltzielen orientieren: Abschwächung des Klimawandels, Anpassung an den Klimawandel, nachhaltiger Umgang mit Wasser und maritimen Ressourcen, Wandel zu einer Kreislaufwirtschaft, Vermeidung und Verminderung von Umweltverschmutzung sowie Schutz und Wiederherstellung von Biodiversität und Ökosystemen.

Ziel der Prüfung ist es, sicherzustellen, dass bei der Erreichung eines Umweltzieles kein anderes signifikant negativ beeinträchtigt wird. Beispielsweise kann ein Wasserkraftwerk mit großem Staudamm einen Beitrag zu annähernd CO2-emissionsfreier Stromproduktion leisten, im Einzelfall jedoch signifikante Auswirkungen auf lokale Ökosysteme haben und somit – um in der Sprache der EU-Taxonomie zu bleiben – dem Ziel des Schutzes und der Wiederherstellung von Biodiversität und Ökosystemen zuwiderlaufen. Eine solche Investition ist nur bei entsprechender Wahrung von Biodiversität für einen Impact-Fonds geeignet.

Nachhaltigkeit erstreckt sich ebenso auf die Bereiche Social und Governance, also Gesellschaft und gute Unternehmensführung – wie im Begriff ESG verankert. Auch diese Aspekte sind deshalb in der Impact-Due-Diligence besonders zu beachten. Dazu gehören vor allem soziale und Arbeitnehmerbelange, die Achtung der Menschenrechte und die Bekämpfung von Bestechung und Korruption. In der Praxis bedeutet dies, dass beispielsweise nicht nur die eigenen Geschäftspraktiken, sondern auch Projektpartner, Dienstleister und Lieferketten in Bezug auf mögliche soziale und Governance-Risiken im Rahmen der DNSH-Klausel bewertet werden.

Die Schnellpostkutsche Diligence wurde im Laufe des 19. Jahrhunderts (im wahrsten Sinne des Wortes) von der Eisenbahn überholt, die ihre Passagiere und Fracht noch schneller und sicherer an ihr Ziel brachte. Auch hierbei gibt es Parallelen zur Impact-Due-Diligence – besteht doch die Kernherausforderung darin, diese besondere Form der Nachhaltigkeitsprüfung ebenfalls sicherer und schneller zu machen. In der Praxis hängen Impact-Prüfungen sowohl von der Quantität als auch der Qualität der zur Verfügung stehenden Daten ab. Die Bewertung der Impact-Faktoren wird somit vor allem durch bestehende Datenlücken ausgebremst und kann umgekehrt durch die zunehmende Entwicklung hin zu umfangreicheren, zugänglicheren und vernetzteren Umwelt-, ESG- und Lieferkettendaten wesentlich verbessert werden.

Dieser Artikel erschien am 26.6. in der Sonderbeilage ENERGIE & KLIMA der BÖRSEN-ZEITUNG.