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Herausforderungen – auf hohem Niveau

4. Dez 2022

Jakob Mähren  |  Mähren AG

Dass wir uns derzeit inmitten einer Wirtschaftskrise befinden, ist wohl auch beim letzten Marktteilnehmer angekommen. Die wachsende Inflation, die steigenden Zinsen, eine drohende Rezession und die zum Teil sinkenden Preise belasten den Markt immens. Zurückhaltung und Verunsicherung machen sich breit. Oft werde ich gefragt, ob die Situation heute mit der Finanzkrise 2008 zu vergleichen ist. Aus dieser erfolgte zumindest in der Immobilienbranche ein scheinbar nicht enden wollender Boom. Viele Akteure fragen sich, ob dies wieder passieren kann.

Haben die Krisen 2022 und 2008 Gemeinsamkeiten? Aus meiner Sicht ja. Doch es gibt vor allem entscheidende Unterschiede, die eine Wiederholung des Immobilienbooms eher ausschließen. Beide Krisen unterscheiden sich signifikant in der Entstehung. Die Finanzkrise 2008 war das Resultat eines aufgeblähten Immobilienmarktes, dessen Kollaps eine Kettenreaktion in der Bankenwelt auslöste. Es war wie ein Flächenbrand, der sich über die Zentralbank bis hin zum eigenen Geldbeutel auswirkte.

Darauf folgte ein Zeitraum von bis zu zwei Jahren, in dem das Finanzieren von Projekten schwierig und unsicher war. Rückblickend ist diese Situation mit der heutigen Lage durchaus zu vergleichen. Aber die Immobilienmärkte waren zu dieser Zeit noch auf einem anderen Niveau, fingen gerade erst an, enorme Preissteigerungen zu verzeichnen. Renditen von etwa 5 %, also dem 20-fachen der Jahresnettokaltmiete, hatten dafür gesorgt, dass dennoch Spielraum bestand.

Unsere heutige Wirtschaftskrise ist vielschichtig
In Berlin war spätestens nach der Fußball-WM 2006 der Start des Immobilien-Hypes eingeläutet. Die Hauptstadt wurde international als attraktiver Standort wahrgenommen und zog trotz Finanzkrise unzählige Investoren an. Dazu gab es zwischen Zinsen und Renditen einen „gesunden“ Abstand, den es heute nicht mehr gibt. Zudem war allen Beteiligten klar, dass es sich um eine eindimensionale Krise handelt. Das bedeutet: Werden die Banken gerettet, ist die Krise vorbei. So wurde sie von den Notenbanken dieser Welt aufgefangen. Die Zinsen wurden massiv gesenkt und die Wirtschaft erfolgreich angekurbelt.

So „einfach“ kommen wir heute nicht davon, da Zinsen zugunsten einer Preisstabilität angehoben werden müssen. Pandemie, Ukrainekrieg, Inflation, Klimakrise und damit verbundene ESG-Maßnahmen, Fachkräftemangel oder Lieferengpässe: Unsere heutige Wirtschaftskrise ist vielschichtig und daher so festgefahren. Die Regulierungen, die es 2008 nicht gab, machen die Situation komplexer, da nicht die Preise genommen werden dürfen, die der Markt eigentlich hergibt. Da die Voraussetzungen für die Immobilienbranche deutlich schwieriger sind, ist davon auszugehen, dass 2023 einige Projekte nicht fertig gebaut werden. Wir haben einen etwa zehnjährigen Immobilienboom hinter uns. Marktteilnehmer, die nur wenige Jahre dabei sind, kennen nur den Weg nach oben. Das ändert sich jetzt.

Ohne Frage ist die Lage komplex
Akteure, die auf andauernde Preissteigerungen spekuliert haben, werden das Nachsehen haben. Kurzfristige Finanzierungen und knappe Kalkulationen werden sich rächen. Projekte mit deutlich mehr Fremd- als Eigenkapital werden in Refinanzierungsprobleme geraten. Wenn Projekte in den Büchern abgewertet werden, ist Ärger programmiert, weil Banken Sicherheiten fordern. Kritisch wird es ab 2023 auch für Objekte in C-Lagen, die in den zurückliegenden Jahren noch die absoluten Gewinner waren. Diese werden, so wie es aussieht, nach unten korrigiert.

Ohne Frage ist die Lage komplex, und durch die verschiedenen und zeitgleich wirkenden Krisen geht es für viele an ihre Grenzen und darüber hinaus. Es darf aber nicht vergessen werden, dass der Immobilienmarkt heute trotz aller Schwierigkeiten von einem massiven Nachfrageüberhang geprägt ist. Das war 2008 noch anders, als Vermieterverbände mit Grillfesten um potenzielle Mieter werben mussten.

Auch in der Wirtschaftskrise wollen Menschen in Wohnungen und Häusern wohnen. Es wird auch 2023 Transaktionen geben. Vielleicht weniger, aber es wird sie geben. Aktuell läuft auch noch ein Prozess, in dem Käufer und Verkäufer wieder zueinanderfinden müssen. So wird die Anwaltsfamilie, die früher 700 000 Euro für ihr Haus im Grünen zahlte, heute eher 500 000 zahlen. Auch eine Mietwohnung und eine fair bepreiste Eigentumswohnung werden weiter Abnehmer finden.

Investitionsmöglichkeiten vor der eigenen Haustür nehmen wieder zu
Für gut aufgestellte Projektentwickler und Investoren können sich Investitionen auch im kommenden Jahr lohnen. Diese können die Unsicherheiten am Markt nutzen, um neue Projekte anzukaufen, welche dann die Basis für die nächsten Jahre bilden. Denn heute nehmen die Investitionsmöglichkeiten vor der eigenen Haustür wieder zu. Viele Teilnehmer mussten aufgrund der Regulatorik und starken Konkurrenz in den vergangenen Jahren auch nach Geschäftsmöglichkeiten im Ausland suchen. Heute sehen wir den Trend, dass so viele Immobilien im heimischen Markt zur Verfügung stehen wie seit Jahren nicht mehr. Denn der Stillstand der vielen Baustellen und Projekte ermöglicht die Chance, Objekte zu erwerben, die eigentlich nicht zu haben waren. Diese Situation kann kapitalstarke Marktteilnehmer zu Gewinnern der Krise machen.

Dieser Artikel erschien am 2.12. in der FAZ.

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