PB3C News

Content is King – but Emotion is Queen

27. Mrz 2022

Sonja Rösch  |  PB3C

„Werden Sie auf LinkedIn nicht zu persönlich, es handelt sich um eine Business-Plattform, auf der vor allem fachliche Exzellenz gefragt ist.“ Diesen Ratschlag habe ich noch vor einem Jahr in so gut wie jeder Social-Media-Schulung gegeben. Doch genau wie alle anderen Social-Media-Plattformen entwickeln sich auch die Business-Netzwerke weiter. Inzwischen zeigt sich, dass persönlicher formulierte LinkedIn-Posts, die einen Einblick in die Motivation und die eigenen Ziele geben oder auch die früheren Fehler eines Menschen thematisieren, gerade auf Entscheider-Ebene oft besser performen als rein fachliche Kommentare. Dem altbekannten Satz „Content is King“ muss man inzwischen also hinzufügen: „but Emotion is Queen“. In einigen Fällen lässt sich das Wort Emotion allerdings auch durch „Mindset“ ersetzen.

Angesichts dieser Entwicklung erhalten die persönlichen Social-Media-Profile nochmals einen größeren Stellenwert, wovon indirekt auch der Unternehmens-Kanal und somit das gesamte Image der Firma profitieren kann. Ein nahbarer CEO, CIO oder CFO verkörpert gleichzeitig ein modernes Unternehmensklima, in dem gerade Young Potentials nicht nur fachlich, sondern auch persönlich wachsen können.

Mangelnde Authentizität wird abgestraft
Mehr noch als bei faktenbezogenen Postings müssen Tonalität, Botschaften und – ganz wichtig – die zugehörigen Bilder, Animationen und Videos zusammenpassen. Mangelnde Authentizität wird sofort abgestraft, genauso wie ein zu großspuriges oder gezwungenes Auftreten: Ein MDAX-Vorstand tritt im Berufsalltag wohl kaum so auf wie ein junger Gründer. Dementsprechend unsinnig wäre es, wenn er auf LinkedIn auf einmal so klingen möchte. Zudem spielen der Werdegang, die Ausbildung und die Ziele für die kommenden Jahre eine wichtige Rolle. Und natürlich wollen sich auch keineswegs alle C-Level-Entscheider überhaupt darauf einlassen, auf LinkedIn persönlich zu werden. In diesem Fall ist der Ansatz für sie nicht der richtige, was völlig in Ordnung ist. Umgekehrt sollten sich extrovertierte Persönlichkeiten in manchen Fällen bremsen, bevor sie allzu private Beziehungs-, Kinder- oder Urlaubsfotos unreflektiert auf LinkedIn posten.

Emotionalität ist Kommunikationssache
Wie bei jedem fachlichen Post gilt im Übrigen auch bei emotionalem Content, dass er in eine übergeordnete cross-mediale Kommunikationsstrategie eingebettet und Teil von Kampagnen sein sollte. Die Mischung macht es dann: Zwischen den emotionaleren Postings sollten in der Regel zwei oder drei fachbezogene Managerkommentare folgen. Und auch die Frequenz sollte nicht übertaktet werden: Die Dosis macht das Gift. Dementsprechend wichtiger wird auch die Rolle der Kommunikationsexperten, die auf ein stimmiges Verhältnis achten und nicht nur die Performance der einzelnen Posts analysieren, sondern auch die Relevanz der Kanäle und ihrer Inhalte immer wieder kritisch hinterfragen sollten. Denn LinkedIn und alle anderen Plattformen entwickeln sich stetig weiter – auch diejenigen, die noch gar nicht alle Unternehmen auf dem Radar haben. Beispielsweise zeigt sich derzeit bei Instagram die genaue Gegenbewegung: hin zu mehr fach- und unternehmensbezogenen Inhalten. Auch die Finanz- und Immobilienbranche haben inzwischen erkannt, dass sie potenzielle Mitarbeiter und Geschäftspartner dort direkt erreichen können. Dementsprechend setzen Konzerne, Fondsanbieter und andere Akteure inzwischen auf kurze authentische, aber faktenbezogene Instagram-Videos, die besonders nutzwertig für Employer Branding und Markenbildung sind.

Was funktioniert nicht?
Neben der Frage, welche Kanäle und Formate funktionieren, ist die Gegenfrage genauso wichtig: Welche funktionieren nicht? Twitter mag im englischsprachigen Raum als Unternehmenskanal etabliert sein, in der DACH-Region handelt es sich allerdings um ein Netzwerk, das vor allem von Journalisten und Interessenvertretungen genutzt wird. Facebook wird immer mehr zum Marktplatz und hat eher eine Zukunft als C2C-Plattform, aber immer weniger für B2C. Organisches Wachstum ist für Firmen auf Facebook kaum noch möglich, und das Kapital, das für Sponsorings eingesetzt werden müsste, ist in aller Regel auf LinkedIn besser aufgehoben. Und was ist mit dem Audioformat Clubhouse? Kurzfristiger Hype oder etwas von Dauer? Eher Ersteres, doch wer mitgemacht hat, hat zumindest seine Offenheit und Flexibilität demonstriert, mal was Neues auszuprobieren.

Kommunikation wie ein Portfolio begreifen
Ähnlich wie bei einem klassischen Immobilien-Investmentportfolio können auch die verschiedenen Kommunikationskanäle als einzelne Assets betrachtet werden. Letztlich ist der richtige Schwerpunkt entscheidend für den dauerhaften Erfolg. Das heißt: Nicht zu stark den vorübergehenden Trends hinterherlaufen, sondern eine klare Strategie für die Hauptkanäle entwickeln und diese bei Bedarf immer wieder anpassen — beispielsweise, um emotionalen Content oder andere neue Formate zu ergänzen.

Genauso gehört es jedoch dazu, sich konsequent von den Non-Performern zu trennen. Exit ist gut. Und noch eine Parallele existiert zwischen dem Investment- und dem Kommunikationsportfolio: Die Ziele können jeweils sehr unterschiedlich sein. Beim Investieren kann der Fokus auf Werterhalt, auf Wertsteigerung oder auf dem Cashflow liegen. Bei der Social-Media-Kommunikation sind die Ziele beispielsweise eine größtmögliche Reichweite oder mehr Interaktionen auf dem Kanal. Oder aber neue Bewerberinnen und Bewerber zu erreichen. Denn der War for Talents wird längst auch auf LinkedIn, Instagram und Co. ausgefochten.

Dieser Artikel erschien in der AIZ 3/2022.

Haben Sie Anmerkungen oder Fragen? Dann schreiben Sie an die Leiter unserer Redaktion Jan Döhler und Kai Gutacker.