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Der Corona-Faktor beschleunigt die Deglobalisierung

19. Mrz 2020

Kuno Neumeier  |  Logivest Gruppe

Das neuartige Coronavirus sorgt für die einschneidendsten Einschränkungen im öffentlichen Leben seit dem Bestehen der Bundesrepublik. Die wirtschaftlichen Folgen sind im Einzelnen noch völlig unabsehbar. Was den internationalen Lieferverkehr und die Logistikimmobilienstrategie vieler deutscher Unternehmen betrifft, ist jedoch ein radikales Umdenken nötig. Kuno Neumeier, geschäftsführender Gesellschafter der Logivest Gruppe, beleuchtet die Hintergründe.

Herr Neumeier, welche Effekte hat die COVID-19-Pandemie auf den internationalen Warenverkehr?

In China konnten nur etwa fünf Prozent aller Mitarbeiter in die Fabriken und nur etwa jedes zehnte Frachtschiff hat das Land verlassen. Es war absehbar, dass vier Wochen später in Deutschland viele Produktionsstätten stillstehen – einfach, weil keine Waren mehr nachkommen. Hier zeigt sich, dass die Just-in-Time-Logistik, bei der die Güter genau im Moment des Bedarfs eintreffen, äußerst anfällig und risikoreich ist. Zahlreiche deutsche und internationale Unternehmen haben dieses Problem bereits vor dem Ausbruch der Pandemie erkannt und sind teilweise zu einer Vor-Ort-Fertigung und Lagerung übergegangen, anstatt die Waren über den gesamten Globus anliefern zu lassen und sich massiv von Drittländern abhängig zu machen. Der Corona-Faktor wird diese Deglobalisierung nun nochmals deutlich beschleunigen.

Was bedeutet diese Trendwende für deutsche Logistikimmobilien?

Die Nachfrage nach Logistikflächen ist allein in den vergangenen Wochen regelrecht explodiert – und dürfte auch langfristig kaum abebben. Insbesondere der regionale Handel muss deutlich mehr Waren bevorraten – denn wenn die Lager leer sind, kommt auch kein Nachschub mehr in die Regale der Einzelhändler. Es geht also keinesfalls nur um die ökonomische Zukunft einzelner Unternehmen, sondern vielmehr darum, dass unsere Städte überhaupt weiterhin funktionieren können. Einen erheblichen Flächenbedarf sehen wir auch bei sogenannten  „gestrandeten Waren“. Viele Produkte und Ersatzteile können auf Grund der Schließung der Läden nicht distribuiert werden und müssen somit zwischengelagert werden.

Sollte dem Thema Logistik in der aktuellen Debatte ein höherer Stellenwert eingeräumt werden?

Eine Generalisierung fällt hier schwer. Die aktuelle Situation zeigt jedoch, dass wir die Logistikbranche im Allgemeinen sowie das Thema Logistikimmobilien im Speziellen keinesfalls stiefmütterlich behandeln dürfen. In den vergangenen Jahren herrschte bei vielen Kommunen und den jeweiligen Anwohnern eine Abwehrhaltung gegenüber neuen Logistikansiedlungen – zu viel Verkehr, zu große Umweltbelastung, zu wenig Gewerbesteuer, lauteten die Argumente. So tragisch die aktuelle Situation auch ist und so viele Schicksale mit ihr verbunden sind, hoffe ich dennoch, dass die harte Arbeit der Logistikunternehmen und ihrer Angestellten entsprechend gewürdigt wird und sich das Image der Logistik nachhaltig verbessert. Denn auf diese Weise entsteht nach der Pandemie eine neue Basis für einen produktiven Dialog.

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