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Die Corona-Stadtflucht fällt aus

1. Nov 2020

Dr. Michael Dinkel  |  Savvy Group

Es vergeht fast keine Woche ohne Studien und Prognosen zu vermeintlich bahnbrechenden Verschiebungen auf den Immobilienmärkten im Zuge der Corona-Krise. High-Street-Retail ist plötzlich tot, das Büro nur noch ein Schatten aus früheren Zeiten und die Menschen streben angeblich ins Grüne und kehren der Stadt den Rücken.

Es vergeht fast keine Woche ohne Studien und Prognosen zu vermeintlich bahnbrechenden Verschiebungen auf den Immobilienmärkten im Zuge der Corona-Krise. High-Street-Retail ist plötzlich tot, das Büro nur noch ein Schatten aus früheren Zeiten und die Menschen streben angeblich ins Grüne und kehren der Stadt den Rücken.

Das widerspricht aber jeder empathischen Annäherung ans Thema. Die Frage ist doch, weshalb die Menschen weltweit in die Städte ziehen und ob diese Gründe durch die Pandemie tatsächlich weggefallen sind. Ich bin mir sicher, dass das nicht so ist. Denn viel stärker als ökonomische Gründe fallen für mich die sozialen Rahmenbedingungen ins Gewicht. Wer in der Stadt mehr verdient, hätte auf dem Land meist geringere Wohnkosten, rein rationale Abwägungen können den Megatrend Urbanisierung nicht erklären. Vielmehr geht es um die oft zitierten weichen Standortfaktoren: Die Nähe zu Kultur und öffentlichem Leben, das gastronomische Angebot, die Belebtheit unserer Städte.

Auch wenn Cafés, Restaurants und Theater noch immer nicht in den Normalbetrieb zurückgekehrt sind, entfalten die urbanen Zentren weiterhin einen Großteil ihrer Stärken. Auch und gerade dank der vielfältigen Begegnungsräume. Denn ebenso viel wie vom Abgesang der Städte war in den vergangenen Monaten von der Vereinsamung vieler Menschen zu lesen, die ihrer sozialen Kontakte in Büro und Vereinsleben beraubt wurden. Natürlich ist das kein neues Phänomen – doch wo ließe sich dieses gesamtgesellschaftliche Problem für den Einzelnen besser lösen als in der Stadt? Wo gibt es täglich zahllose Gelegenheiten für ein warmes Lächeln im Vorbeigehen und ein kurzes Gespräch an der Straßenecke? Sicherlich eher in belebten Innenstadtkiezen als in dünn besiedelten Landstrichen.

Ich bin mir deshalb sicher, dass sich – selbst wenn die Prognose eintreten sollte, dass die Corona-Krise ein Katalysator für neue Arbeitsmodelle ist – die Städte weiter positiv entwickeln und wachsen werden.

Die Wohnungswirtschaft kann dies mit den richtigen Konzepten unterstützen. Die Menschen möchten einerseits einen geschützten privaten Rückzugsort, anderseits aber das urbane Leben auf der Straße, in Restaurants und Cafés spüren. WG-Wohnen oder Coliving, also das Teilen von Dusche, Kühlschrank und Staubsauger, werden künftig von vielen kritischer gesehen werden. Das eigene Apartment in der Großstadt wird als Lebensform gestärkt aus der Corona-Krise hervorgehen.

Dieser Artikel erschien am 29.10. in der IMMOBILIEN ZEITUNG.