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2023 wird das Jahr der Chancen

1. Jan 2023

Jakob Mähren  |  MÄHREN AG

Der Markt ist gebeutelt. Vom Banker über den Investor bis zum Verbraucher spüren alle, wie groß die Herausforderungen sind. Erst war es die Pandemie mit ihren Einschränkungen, durch welche die Versorgungsketten für Güter und Ressourcen rissen. Das geringere Angebot traf auf eine noch expansive Geldpolitik, was die Inflation steigen ließ. Mit Beginn des Angriffskrieges auf die Ukraine und der damit verbundenen weiteren Destabilisierung der Lieferketten verschärfte sich die Lage noch.

Auch die Immobilienwirtschaft steht unter Druck
Im Zuge der schwierigen Versorgungslage explodieren die Baukosten. In den vergangenen zwölf Monaten stiegen sie um durchschnittlich 17 %. Viele Projektentwickler, die ihre Projekte noch vorm Kostenanstieg kalkuliert hatten, sind nun mit unerwarteten Ausgaben konfrontiert. Im Sommer 2022 beklagten 74 % aller Baufirmen in einer Umfrage des Hauptverbandes der deutschen Bauindustrie Verzögerungen, und etwa ein Drittel war von Auftragskündigungen betroffen. Investoren zögern angesichts der aktuellen Situation. Nicht nur die Baukosten setzen dem Neubau zu, auch die Finanzierung von neuen Projekten ist durch Leitzinserhöhungen der Notenbanken teurer geworden.

Wie aber geht es weiter? Das Jahr 2023 könnte aus meiner Sicht ein Jahr der Chancen am Immobilienmarkt werden. Nicht obwohl, sondern gerade weil die Rahmenbedingungen extrem herausfordernd sind. Indes müssen die Marktakteure wohl durch ein Tal der Tränen schreiten, bevor sich die Lage wieder deutlich bessert. Diese Chancen könnten auch einige nutzen, die bislang wegen der hohen Preise nicht kaufen konnten oder wollten. Das dürfte sich bald ändern. Denn noch senkt kaum jemand die Preise, alle sitzen auf ihrem teuren Bestand. Doch schon bald tun sich Gelegenheiten auf – die es zu ergreifen gilt.

Blicken wir auf die Ausgangslage: Das Handeln der Notenbanken beeinflusst die ganze Wirtschaft essenziell. Viele Marktteilnehmer fragen sich, ob eine Rezession durch die Zinserhöhungen droht. Kursabstürze in der Immobilienwirtschaft wie etwa bei Vonovia sind nicht durch Verlust des Vertrauens der Anleger oder der Nachfrage zu erklären. Die gestiegenen Finanzierungskosten setzen den Konzern unter Druck. Der Aktienkurs bildet das nur ab.

Apokalyptische Stimmung schon bei der falschen Heizung
Investoren, die ein Immobilienportfolio in gefragten Lagen im Bestand halten, sind dennoch gut aufgestellt. Gerade in Metropolregionen wie Berlin suchen weiterhin viele Menschen Wohnraum, sei es zum Kauf oder zur Miete – entsprechend groß ist die Nachfrage. Es sind vor allem laufende und neue Projekte, die unter Druck geraten. Neubauten, die noch nicht nach hohen energetischen Anforderungen geplant waren, erscheinen jetzt sehr risikobehaftet. Zu hoch sind schlicht die Energiekosten. Objekte, die beispielsweise mit einer Gasheizung ausgestattet sind, sind angesichts der drohenden Energiekrise einer fast apokalyptischen Stimmung ausgesetzt.

Noch verharrt der Markt in einer Art Schockstarre, die das Q1 2023 noch prägen dürfte. Die Verunsicherung könnte Abschlüsse bei Vermietungen verzögern. Bestandsimmobilien, die eigentlich verkauft werden sollen, werden noch zurückgehalten werden, weil die Preisvorstellungen noch nicht an die neue Marktlage angepasst wurden und das Angebot fast gleich bleibt.

Im Q2 2023 rechne ich dann mit einer Bereinigung, begleitet womöglich von einer wirtschaftlichen Beruhigung. Angesichts der Leitzinserhöhungen und des Rückgangs der Geldmenge ist mit einem Rückgang der Inflationsraten zu rechnen. Im Zuge dessen könnten sich die Börsen stabilisieren oder sogar etwas erholen. Zusammen mit der Entspannung der Inflationsraten und der Kurseinbrüche würde sich die Stimmung ändern, die wirtschaftlichen Aussichten verbessern. Die ersten Investoren dürften dann darüber nachdenken, die zurückgehaltene Liquidität zu nutzen.

Was den Immobilienmarkt stützt
Durch die allgemeine Entspannung und Stabilisierung der wirtschaftlichen Lage würden auch Projektentwickler und Immobilienverkäufer an den Markt zurückkehren, um ihre abgeschlossenen Projekte oder Bestandsimmobilien, die im Q1 2023 noch zurückgehalten wurden, an den Markt zu bringen. Frisches Geld muss in die Kassen. Der Verkaufsdruck durch erste Transaktionen dürfte die Immobilienpreise deutlich sinken lassen, das dann erhöhte Angebot wird wohl zu nachhaltig tieferen Preisniveaus für Immobilien führen.

Erst gegen Ende 2023 rechne ich mit einer Normalisierung, sowohl beim Angebot als auch bei der Nachfrage. Die Zeit der Schnäppchen und Problemimmobilien zu Discountpreisen wäre dann vorbei, das verfügbare Angebot würde wieder abnehmen. Somit würde die Nachfrage das Angebot wieder übersteigen. Der Preisverfall bei Immobilien wäre beendet. Chancen für Finanzinvestoren können sich aber auch bieten, weil auf weiterhin hohem Zinsniveau einige Nachfinanzierungen bei Bauprojekten nötig sind. Wer die finanzielle Lücke füllen kann, diktiert die Konditionen.

Dieser Artikel erschien am 28.12. auf WIRTSCHAFTSWOCHE.

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