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Wo Inflation die Preise drückt – und wer davon profitieren kann

16. Dez 2022

Tomasz Dukala  |  EPH

Das Jahr 2022 ist fast zu Ende, und es dürfte allen klar sein, dass es einschneidende Spuren hinterlassen wird. Auch auf dem Immobilienmarkt: Geopolitische Entwicklungen und die Rückkehr der Inflation haben die Investmentmärkte in Aufruhr versetzt und die Europäische Zentralbank (EZB) von ihrem langjährigen Niedrigzinskurs abgebracht. Das hat weitreichende Auswirkungen. Auf dem Markt für Gewerbeimmobilien führt die Inflation allerdings zu sinkenden Preisen – nur auf den ersten Blick ein Paradox.

Wie Krisenangst zum Immobilienboom führte
Um zu verstehen, wie sich die Inflation auf der einen und die Reaktionen der Zentralbanken auf der anderen Seite auf die Preise für Gewerbeimmobilien auswirkt, hilft es, einen Blick auf das vergangene Jahrzehnt zu werfen. Nach der Eurokrise war die größte Angst der EZB, dass einzelne Euroländer in die Rezession rutschen, bankrottgehen und die gesamte Währungsunion in den Abgrund reißen könnten. Entsprechend wandte sie ihre ganze Macht auf, dieses Szenario zu verhindern, indem sie zuerst die Leitzinsen immer weiter und sogar teilweise unter null senkte und irgendwann Staats- und schließlich sogar Unternehmensanleihen aufkaufte. Das führte dazu, dass Euro-Staatsanleihen immer weniger abwarfen, vor allem diejenigen von stabilen Volkswirtschaften wie Deutschland. Gut für die Haushaltskonsolidierung der Bundesrepublik; schlecht für institutionelle Investoren, die ihr Kapital sichern, zugleich aber auch Rendite erzielen müssen. Traditionell hatten sie einen gewissen Anteil in Anleihen erfolgreicher Volkswirtschaften gesteckt, wo sie zwar keine herausragende, aber zumindest eine verlässliche Rendite sowie hohe Sicherheit bekamen. Nun allerdings schrumpfte die Rendite auf null. Deutsche Staatsanleihen waren kaum besser als das sprichwörtliche Geld unter der Matratze.

Immobilien boten einen Ausweg. Vor allem in den A-Städten, aber auch in vielen wachsenden B-Städten war die Nachfrage nach Wohnraum und Gewerbeflächen so hoch, dass Immobilien als bombensichere Anlage gelten konnten. Immer mehr institutionelle Investoren erweiterten den Immobilienanteil ihrer Portfolien. Das erlaubte Projektentwicklern und Verkäufern, die Preise zu erhöhen. Selbst wenn die hohen Kaufpreise die Mietrenditen verkleinerten, lagen diese immer noch über den Zinsen für Staatsanleihen. Das viele Geld, das in den Markt floss, und die hohe Zahlungsbereitschaft lockten zudem spekulative Käufer an, die Objekte oft mit billigen Krediten kauften und nach kurzer Zeit teurer weiterverkauften – ein zusätzlicher Preistreiber. Warnungen vor einer Immobilienblase wurden immer wieder laut, doch mehr als ein Jahrzehnt des Wachstums führte dazu, dass sich die Marktteilnehmer an diesen Zustand gewöhnten.

Das Ende des Booms
Dass diese Lage nicht dauerhaft sein würde, ahnten viele. Dass erst eine Pandemie und dann ein Krieg in Europa sie beenden würden, stand nicht auf der Tagesordnung. Entsprechend hart wurden viele von den Folgen getroffen. Die Hotelbranche hat den Zyklus quasi im Zeitraffer vorgeführt: Während bis Ende 2019 Hotels als extrem attraktive Anlage galten und immer teurer wurden, vor allem, wenn sie schon einen Betreiber hatten, kam mit der Pandemie der große Zusammenbruch. Die Nachfrage nach Übernachtungen ging stark zurück. Betreiber rutschten reihenweise in die Insolvenz oder mussten um Mietnachlässe bitten. Wer in dieser Zeit ein Hotel verkaufen wollte, musste deutlich niedrigere Preise akzeptieren, um überhaupt Interessenten zu finden. Dann gab es staatliche Unterstützung für Betreiber, schließlich kam die Covid-Impfung, und in diesem Jahr steigen die Preise für Hotelimmobilien wieder.

Nun ist die Inflation im Durchschnitt der Eurozone auf einmal zweistellig, und die EZB sieht ihre Kernaufgabe wieder darin, Preisstabilität zu erreichen. Damit ist die Nullzins-Ära vorbei. Allein in diesem Jahr wurden die Leitzinsen im Euroraum bereits dreimal erhöht, weitere Schritte werden erwartet. Das bedeutet: Kredite werden teurer. Und Staatsanleihen werfen wieder mehr Zinsen ab. Je höhere Zinsen sie bieten, desto mehr von dem Geld, das seit der Eurokrise in den Immobiliensektor geflossen ist, wird wieder abwandern. Denn mit der Sicherheit von Staatsanleihen solider Volkswirtschaften können Immobilien nicht konkurrieren. Hinzu kommen teils signifikante Kaufnebenkosten, etwa Grunderwerbssteuern, Notarkosten, Due Diligence und weitere Kosten, die bei Immobilieninvestments anfallen. Sobald die Zinsen kurz- und mittelfristiger Staatsanleihen in Ländern wie Deutschland oder Frankreich also in die Nähe der Renditen von Immobilieninvestments rücken, werden institutionelle Anleger ihr Geld abziehen. Und das könnte schon bald geschehen. Büroimmobilien in Berlin bieten gerade noch eine Rendite von um die 3 %, je nach Lage und Ausstattung teils nur noch gut 2 %. Zieht man die Kaufnebenkosten in Betracht, sehen Staatsanleihen daneben nicht schlecht aus.

Das neue Normal?
Die EZB hat angekündigt, die Inflation weiter bekämpfen zu wollen, und das heißt voraussichtlich: den Leitzins weiter zu erhöhen. Damit werden Finanzierungskosten steigen und Staatsanleihen renditeträchtiger werden. Das wiederum wird die Investorennachfrage nach Gewerbeimmobilien deutlich senken. Der Immobilienmarkt reagiert traditionell recht langsam – was einerseits an den Projektlaufzeiten liegt, andererseits daran, dass Finanzierungsverträge meist über mehrere Jahre abgeschlossen werden und sich Zinsänderungen also nur auf zukünftige Geschäfte auswirken. Doch schon heute stagnieren die Preise, was bei der aktuellen Inflation einer realen Reduktion entspricht, und ich erwarte, dass sie im kommenden Jahr auch nominal sinken. Das alles passiert wie gesagt mit einer gewissen Verzögerung. Doch im Markt sickert langsam die Erwartung durch, dass die Zinsen hoch bleiben – und Käufer wie Verkäufer passen ihr Verhalten an. Damit wird im gewerblichen Bereich das passieren, was Hotels zu Beginn der Pandemie durchgemacht haben und was im Wohnimmobiliensegment bereits sichtbar ist: Die Nachfrage sinkt, die Preise folgen.

Bis zu einem gewissen Grad ist das eine Normalisierung des Immobilienmarktes, der in den vergangenen Jahren mit Geld nahezu überschwemmt wurde. Die hohe Nachfrage hat zu einem Preisanstieg geführt, bei dem einige Objekte überteuert verkauft wurden. Dieser Effekt bereinigt sich jetzt. Auch diejenigen, die mit geliehenem Geld in den Boom investiert haben, werden sich zurückziehen müssen. Denn erstens lohnt sich das nur, solange der erwartete Wertzuwachs die Kreditzinsen deutlich übersteigt, und zweitens werden Banken umso weniger großzügig bei der Kreditvergabe, je angespannter die gesamtwirtschaftliche Lage ist. Viele dieser Spekulanten werden den Immobilienmarkt verlassen.

Die Stunde der Profis
Das ist nicht unbedingt eine schlechte Nachricht, zumindest nicht für Investoren, die entsprechend aufgestellt sind. Wer über eine hohe eigene Liquidität verfügt und deshalb nicht auf Kredite angewiesen ist, kann in Zeiten sinkender Preise interessante Objekte erwerben. Gerade in den attraktiven europäischen Großstädten ist die Nachfrage nach Gewerbeflächen aller Art weiterhin hoch, und die Zuwanderung – von kleineren in Großstädte und von außerhalb Europas in die EU – sorgt dafür, dass sie auf absehbare Zeit hoch bleibt. Zudem ermöglicht die Indexierung von Mieten Mietwachstum. Was jedoch jetzt besonders wichtig wird, ist tiefgehendes Fachwissen. Der Boom ist zu Ende. Immobilien sind kein Renditegarant mehr, und je nach Lage und lokaler Situation sind sie auch nicht mehr so sicher, wie sie waren. Kluge Investoren besinnen sich jetzt auf ihre Expertise und kaufen nicht mehr nach Belieben ein. B-Städte, B-Lagen in A-Städten und Value-Add-Objekte verlieren ihren Reiz, Core-Immobilien rücken wieder in den Fokus. Wer die Qualität von Objekt und Lage einschätzen kann, auf Assetklassen und Mieter mit Zukunft setzt und ausreichend liquide ist, für den kann 2023 ein gutes Jahr werden, um das Portfolio gezielt zu erweitern. Denn mit der Normalisierung des Marktes ist auch der Marktzyklus wieder da: Nachdem die Preise sich 2023 nach unten hin einpendeln, werden sie aufgrund der anziehenden Nachfrage auch wieder steigen.

Dieser Artikel erschien am 1.12. auf CASH.

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