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Chance für sozialen Wohnungsbau

17. Mai 2020

Andreas Muschter (Commerz Real)    |  Thomas Meyer (WERTGRUND)           

Der Bestand geförderter Wohnungen nimmt stetig ab, obwohl der Bedarf eher zunimmt. Durch die Corona-Krise eröffnen sich aber auch privaten Investoren neue Möglichkeiten.

Geförderter Wohnungsbau ist dringend notwendig, wurde in den vergangenen Jahren jedoch sträflich vernachlässigt. Weil die Kommunen allein das Problem nicht lösen können, ist auch das Kapital privatwirtschaftlicher Investoren gefragt. Unter denen gilt gefördertes Wohnen jedoch noch heute oftmals als notwendiges Übel, aber nur selten als praktikables und vor allem rentables Investment. Hier setzt langsam ein Umdenken ein, dank eines höheren Stellenwerts von Nachhaltigkeitskriterien sowie defensiverer Investmentstrategien und veränderter Renditeanforderungen. Einen neuen Schub im geförderten Neubau könnte nun ausgerechnet Covid-19 bringen. Nun sollte auch die Politik ihren Teil beitragen, indem sie zum Beispiel ein Mindestmaß an einheitlichen Regelungen in Deutschland schafft. Fest steht: Gefördertes Wohnen kann rentabler sein, als viele Investoren vermuten. Die Krise könnte sich als Chance erweisen, dafür die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen.

Die Zahlen sind alarmierend. Zum Jahresende 2018 gab es in ganz Deutschland dem Bundesministerium des Innern zufolge nur noch rund 1,18 Mio. mietpreisgebundene Wohnungen – ganze 730.000 Wohneinheiten weniger als noch 2008. Doch vor allem angesichts der in vielen deutschen Städten gestiegenen Mieten ist der Bedarf an bezahlbarem und gefördertem Wohnraum ungebrochen. Allein in Berlin zeigen verschiedene Erhebungen immer wieder, dass der Anteil der Einwohner mit Anrecht auf einen Wohnberechtigungsschein seit Jahren bei etwa 60 % liegt. Kein Wunder, dass der Deutsche Mieterbund, gestützt von Zahlen des Eduard Pestel Instituts, den Bau von mindestens 80.000 geförderten Wohneinheiten allein in der Hauptstadt für absolut notwendig hält. In Anbetracht der aktuellen Rezession dürfte der Bedarf nochmals deutlich steigen. Wer nun bedenkt, dass oft Jahre vergehen, bis der Name eines Antragstellers von der Warteliste aufs Klingelschild einer geförderten Wohneinheit gelangt, erkennt schnell: Wir stehen vor einem gravierenden Engpass.

Gleichzeitig hat sich die Situation auf den Vermietungsmärkten beziehungsweise im frei finanzierten Wohnungsbau in den Monaten vor der Corona-Krise weiter zugespitzt. Vor allem die Kombination stetig steigender Grundstückspreise und wachsender Baukosten hat dafür gesorgt, dass immer mehr Immobilienentwickler ins höherpreisige Segment ausgewichen sind, um ihre Marge zu halten. Die kommunalen Wohnentwickler sind hingegen voll ausgelastet und haben oftmals weder die Kapazitäten noch das Kapital, um den Bedarf an preisgedämpftem oder preisgebundenem Wohnraum allein abzudecken.

Es gibt aber auch erfreuliche Entwicklungen. Unter anderem ist der eingangs zitierten Erhebung des Bundesinnenministeriums zufolge die Zahl der bewilligten Fördermaßnahmen seit 2016 deutlich nach oben geschnellt. Einer der Gründe dafür ist, dass privatwirtschaftliche Investoren seit einigen Jahren verstärkt in der Entwicklung und Vermietung preisgebundener Wohnungen aktiv sind. Im Rahmen von Bauleitplanverfahren werden in den meisten Kommunen verbindliche Quoten für den sozial geförderten Wohnungsbau festgesetzt, die von den Projektentwicklern realisiert werden müssen. Die Projektentwickler und Fondsmanager können solche Immobilien unter anderem in Fonds für Stiftungen, Kirchen, Versicherungen oder andere Anleger, die vornehmlich unter dem Gesichtspunkt der sozialen Nachhaltigkeit agieren, bündeln. Je wichtiger das Thema der sozialen Nachhaltigkeit für institutionelle Investoren zukünftig wird, desto mehr gerät auch gefördertes Wohnen in den Blickpunkt.

Aus rein ökonomischer Sicht ist dieses Vorgehen ebenfalls sinnvoll: Viele institutionelle Anleger müssen nicht unbedingt die höchste Rendite erwirtschaften, sondern vor allem die Anlegergelder inflationssicher verwalten, dabei kostendeckend arbeiten und einen regelmäßigen und prognostizierbaren Cashflow erwirtschaften. Ein solcher Cashflow-Ansatz wird in einer Zeit, in der das Sparbuch zum Auslaufmodell geworden ist, immer häufiger auch von Privatanlegern angestrebt. Wer in geförderte Wohnungen investiert, beispielsweise als bewusst eingebrachte Beimischung in einem offenen Immobilienpublikumsfonds, kann mit ziemlicher Sicherheit von einer Vollvermietung ausgehen – schließlich werden die Wartelisten immer länger. Es droht auch kein Ausbleiben der prognostizierten Mieteinnahmen, da die Preise nicht den Gesetzen des freien Markts unterworfen sind.

Zugegeben: Die bisherigen Anstrengungen sind bestenfalls ein Tropfen auf den heißen Stein, wenn es um die gesamtdeutsche Situation der geförderten Wohnungsbestände geht. Nun könnte jedoch ausgerechnet der Corona-Schock dafür sorgen, dass schon bald sehr viel mehr Investoren Gelder für den geförderten Wohnungsbau bereitstellen.

Den Grund dafür kann man mehr oder weniger als Ausweichbewegung beschreiben. Denn viele Investoren werden ihr Anlageverhalten teilweise oder sogar gänzlich ändern. Einige Immobilienklassen, die vor der Krise Hochkonjunktur hatten, passen nun womöglich nicht mehr in den eigenen Businessplan. Gleichzeitig dürfte sich die Niedrigzinsphase angesichts der geld- und fiskalpolitischen Maßnahmen zumindest in nächster Zeit fortsetzen. Und die jüngsten Turbulenzen an den Aktienmärkten werden so manchen Anleger abgeschreckt haben. Daher dürften neben klassischen institutionellen Investoren auch vermögende Familien und Privatpersonen das geförderte Wohnsegment als Anlagesegment für sich entdecken. Genug Kapital für notwendige Investitionen wäre also vorhanden.

Doch selbst bei einem Investitionsschub in diesem Sektor profitieren nicht alle deutschen Mieterinnen und Mieter gleichermaßen. Das größte Hindernis besteht in der unterschiedlichen Ausgangslage. Der geförderte Wohnungsbau ist den Besonderheiten des Föderalismus unterworfen: 16 unterschiedliche Baugesetzgebungen treffen auf länderspezifische und teilweise sogar regionale Förderprogramme. Dies hat zur Folge, dass ein privatwirtschaftliches Investment nur in wenigen Bundesländern wie Hessen oder Nordrhein- Westfalen finanziell tragfähig sein kann. So sorgt beispielsweise in Berlin eine Dauer der Mietpreisbindung von 30 Jahren dafür, dass Investoren vermutlich andere Standorte mit deutlich kürzeren Fristen bevorzugen.

Mit anderen Worten: Es wird bereits jetzt nicht unbedingt an denjenigen Orten gebaut, die tatsächlich den größten Bedarf haben – sondern dort, wo die passenden Bau- und Fördergesetze existieren. Damit das Investmentkapital aus der Privatwirtschaft dorthin fließen kann, wo es am nötigsten wäre, muss die Politik handeln und geeignete wirtschaftliche Voraussetzungen für Investoren schaffen. Dazu gehören neben einer angemessenen Dauer der Preisbindung vor allem eine bessere Kombinierbarkeit der einzelnen Fördermittel sowie eine reduzierte Grunderwerbsteuer beim Kauf von Grundstücken für gefördertes Wohnen.

Dieser Artikel erschien am 15.5. in der FAZ.