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Das süße Gift der Regulierung

13. Dez 2020

Jakob Mähren  |  Mähren AG

Die gleichbleibende Forderung nach Regulierungsmoratorien in der Wohnungspolitik, die von Teilen der Immobilienwirtschaft ohne Unterlass zu hören ist, sät eine trügerische Hoffnung. Irgendwann wird die Politik doch wohl die ökonomischen Argumente für weniger staatliche Intervention erhören, wir müssen sie nur häufig genug wiederholen. Und dann stimmen alle ein: Regulierungen drücken Renditen und bremsen den Neubau; sie machen Menschen glauben, dass Wohnraum in regulierten Gebieten bezahlbarer wird, und erhöhen damit sogar die Nachfrage; sie treiben Wirtschaftsakteure in Bereiche, die noch nicht staatlich sanktioniert sind. Letztlich verhindert die Regulierung des Wohnungsmarkts auch die Bildung von Wohneigentum, dessen Quote in Deutschland weiterhin bedrohlich niedrig ist.

Dass die Politik dieses Mantra erhört, ist eine leere Hoffnung. Entgegen dem ökonomischen Sachverstand werden die Bundesregierung und etliche Landesregierungen auch in den kommenden Jahren immer wieder neue Gesetze einführen, um dem Wohnungsmarkt eine „Verschnaufpause“ zu verschaffen. Wie denn auch anders, solange das Eingeständnis der eigenen Unzulänglichkeit keine politische Alternative darstellt?

Es ist kein Geheimnis, dass staatliche Eingriffe in einen Markt immer mehr Folgeeingriffe erfordern, um das durch den Ersteingriff aus seiner Bahn geworfene System aufrechtzuerhalten. Konkret bedeutet das, dass der Ursprung der inzwischen zur Kaskade angewachsenen Mietengesetzgebung in den ersten Mietpreisbremsen zu suchen ist – wir sind beinahe zeithistorisch unterwegs –, und zwar im Bundestagswahlkampf des Jahres 2013. Mit der damaligen Einbildung, den Anstieg der Neuvermietungspreise für ganze Gebiete gesetzlich auf eine Höchstquote von 10 % abbremsen zu können, wurde der Wohnungsmarkt von einem Tag auf den anderen unwiderruflich verzerrt. Vermieter suchten und fanden Ausnahmeregelungen, um Mieten über die Bremse hinaus erhöhen zu dürfen. Also wurden soziale Erhaltungsverordnungen eingeführt, Mietendeckel ersonnen, Umlagemöglichkeiten gesenkt, Ausnahmen zu den Ausnahmen beschlossen, die Mietpreisbremse verschärft und verlängert – alles mit der Folge, dass die Preise weiter steigen.

Ist eine Stadt wie Berlin zu Tode reguliert, dann gehen Investoren nach Brandenburg. Ist Brandenburg dicht, dann wandert das Kapital weiter, ins Ruhrgebiet, nach Polen, an die Ostsee. Investoren sind immer dynamischer als die Politik, und im Wohnungsbereich, der allein aufgrund seiner Materie äußerst behäbige regulatorische Prozesse fordert, kann der Gesetzgeber immer nur reagieren, immer nur der Wirtschaft hinterherlaufen, während die Preise nicht mehr nur in den einstmals angespannten Gebieten steigen, um derentwillen die ersten Eingriffe erfolgten, sondern inzwischen beinahe überall. Teures Wohnen ist zu einem Flächenbrand geworden, und die politischen Akteure haben immer nur ausreichend Löschmittel für höchstens einen einzigen Brandherd.

Der planwirtschaftliche Berliner Mietendeckel hat die Mietpreisanstiege in Berlin nicht etwa deswegen abbremsen können, weil die Preise für Mietwohnungen sinken, sondern weil das Angebot an Mietwohnungen innerhalb eines Jahres um mehr als 40 % geschrumpft ist. Wenn Vermieter ihr Eigentum nicht mehr lohnend vermieten können, dann nutzen sie es selbst oder verkaufen. Entsprechend sind die Angebotszahlen für Eigentumswohnungen in Berlin um 23 % gestiegen. Wer sehen will, ob Wohnen als Folge eines Mietendeckels günstiger wird, sollte die Entwicklungen bei den Preisen für Eigentumswohnungen beobachten – so verzerrt ist der Markt mittlerweile.

Vielleicht würde es helfen, den deutschen Wohnungsmarkt nicht autark zu betrachten, sondern als Bestandteil grenzüberschreitender Migrationsströme, sowohl mit Blick auf Kapital als auch mit Blick auf die Menschen, auf deren berufliche Perspektiven und Lebensvorstellungen. Aufgrund der niedrigen Zinsen sind alternative Investitionsmöglichkeiten stark nachgefragt; aufgrund der neuen Urbanisierung ziehen immer mehr Menschen in die Ballungsgebiete, und aufgrund eines gemeinsamen europäischen Binnenmarkts gleichen sich europaweit die Lebenshaltungskosten zunehmend an. Wer diese Großwetterlage in eine andere Richtung leiten möchte, wird nicht umhinkommen, eine neue Zins- und Anleihepolitik zu forcieren. Könnte man mit Lebensversicherungen und Sparbüchern auch nur eine geringe Rendite erzielen, würden weitaus weniger Menschen und Institutionen in den Wohnungsmarkt drängen. Allein, niemand wird den makroökonomisch so relevanten Zins in die Dienste der sozialpolitischen Spannungen eines regionalen Wohnungsmarkts stellen wollen, erst recht nicht vor dem Hintergrund der Erfahrungen des Jahres 2020, infolgedessen die Geldflut nochmals gestiegen ist.

Also bleibt den politisch Verantwortlichen nichts anderes übrig, als weitere regulatorische Mechanismen zu ersinnen. Schon denken Arbeitsgruppen auf Ministerialebene über die Einschränkung von Investitionen durch internationale Käufer nach einem Schweizer Modell nach. Gemeinden machen Baugenehmigungen von Preisdeckelungen bei Neubaueigentumswohnungen abhängig. Eine Erhöhung der Besteuerung von Zweitwohnungen wird nicht lange auf sich warten lassen. Während für sich genommen jede einzelne Maßnahme sinnvoll erscheint, befeuern sie als Ganzes die Nachfrage und reduzieren abermals das Angebot. In der Folge werden die in den kommenden Jahren weiter zu erwartenden Preissteigerungen am Wohnungsmarkt die Spanne zwischen Arm und Reich vergrößern und die Politik zu immer neuen Maßnahmen drängen. Den Menschen, die eine Wohnung suchen, wird das nicht im Geringsten helfen. Walter Eucken und Ludwig von Mises dürfen sich bestätigt fühlen: Die Politik wendet die Theorie vom dirigistischen Staat musterschülerhaft an.

Dieser Artikel erschien am 11.12. in der FAZ.