Keine Angst vor dem Zinswandel
Ist das jetzt die Zinswende? In letzter Zeit haben sich die Zinsen in der Eurozone spürbar erhöht. Die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe zum Beispiel hat sich seit Mitte Dezember mehr als verdoppelt. Andererseits sind die Zinssätze noch immer auf einem historisch niedrigen Niveau und die EZB wird ihre expansive Geldpolitik auch noch eine Weile fortsetzen. Niemand kennt die Zukunft, aber die zunehmende Unsicherheit an den Kapitalmärkten ist offensichtlich.
Wohl dem, der die sehr günstigen Refinanzierungsbedingungen im Herbst vergangenen Jahres genutzt und sich für alle Zinsszenarien gewappnet hat. Einige börsennotierte Gewerbeimmobilien-AGs haben rechtzeitig Anleihen begeben – teilweise mit Kupons von 1,5 % pro Jahr und weniger -, und damit vergleichsweise teure Altschulden abgelöst. So konnten sie ihre durchschnittlichen Fremdkapitalkosten langfristig und deutlich senken, zum Teil auf unter 2 %.
Hätten die Gesellschaften bei der günstigen Gelegenheit nicht noch wesentlich mehr Fremdkapital aufnehmen und sich deutlich stärker verschulden sollen? Schließlich würde eine höhere Verschuldung auch zu höheren Eigenkapitalrenditen und damit zu höheren Erträgen je Aktie führen. Die Aktionäre müsste das eigentlich freuen, doch das ist häufig nicht der Fall: Immobiliengesellschaften mit relativ hohem Verschuldungsgrad haben oftmals eine in Relation zum Net Asset Value (NAV) niedrigere Aktienbewertung. Ein aus Sicht des Kapitalmarktes zu hoher Verschuldungsgrad schlägt sich unmittelbar in höheren Kapitalkosten nieder, und zwar sowohl auf der Eigen- als auch auf der Fremdkapitalseite. Zudem hat ein zu hohes Leveraging gegebenenfalls negative Auswirkungen auf das Rating – und erhöht damit abermals die Refinanzierungskosten. Hinzu kommt, dass aufgenommene Mittel zeitnah investiert werden müssen, um einen entsprechenden Ertrag zu generieren. Rentable Zielobjekte sind aber nicht so einfach in großer Zahl zu finden und müssen vor dem Ankauf eingehend auf ihre tatsächliche Attraktivität geprüft werden. Eine höhere Liquiditätsreserve indes wirkt sich kontraproduktiv auf die Eigenkapitalrendite aus.
Kein Patentrezept für den optimalen Verschuldungsgrad
Der Finanzvorstand steht immer in dem Spannungsfeld, einerseits die Ansprüche der Aktionäre nach möglichst hohen Eigenkapitalrenditen und damit hohem Leverage und andererseits die Wünsche der Investoren nach einem nachhaltigen, krisenresistenten Wirtschaften und damit nach höheren Eigenkapitalquoten zu erfüllen. Ein Patentrezept für einen optimalen Verschuldungsgrad, der für alle Geschäftsmodelle und über alle Marktphasen hinweg Gültigkeit besitzt, kann es natürlich nicht geben. Einige Gewerbeimmobilien-AGs bevorzugen derzeit ein Verhältnis mit einem moderaten Leveraging bei einer Höchstgrenze von 45 % Loan-to-Value (LTV) und behalten diese Relation auch bei weiteren Schritten zur Kapitalaufnahme bei.
Derart finanzierte Gesellschaften wären selbst gegen plötzliche, heftige Zinsschocks eher gefeit. Davon zu sprechen wäre angesichts der derzeitigen Bewegung an den Zinsmärkten aber übertrieben. Ein realistischeres Szenario wäre eine Phase sukzessive und moderat steigender Zinsen im Euroraum auf weiterhin niedrigem, inflationsbereinigt zum Teil negativem Niveau. Auch ein Szenario wieder rückläufiger Zinsen kann nicht ausgeschlossen werden, das dann gegebenenfalls für weitere Umschuldungsrunden genutzt werden könnte.
Kaum Bewertungsdruck durch Zinsanstieg
Sollte ein leichter Zinsanstieg einen gewissen Druck auf die Immobilienpreise ausüben, könnten auch die LTVs der Immobiliengesellschaften rein rechnerisch leicht steigen. Vorsichtig bilanzierende Unternehmen werden jedoch kaum Bewertungsdruck in ihren Bestandsportfolien spüren. Denn die Marktzinsen und Mietrenditen für Gewerbeimmobilien liegen heute weiter auseinander als noch vor zehn Jahren und halten damit nun einen gewissen Puffer vor, der einen leichten Zinsanstieg abfedern könnte. In einem Szenario wieder rückläufiger Zinsen hingegen würde sich dieser Puffer entweder vergrößern oder zusätzliches Potential für weitere Wertzuwächse liefern.
Dieser Artikel erschien bereits IMMOBILIENMANAGER 5/2018.
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