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Das Stadtquartier birgt unterschätzte Potenziale für Investoren

15. Nov 2020

Sebastian Nitsch  |  6B47

Sowohl im Wohn- als auch im Gewerbesegment waren die vergangenen Jahre von einem teils eklatanten Flächenmangel geprägt. Das gilt sowohl für deutsche Metropolen als auch für Wien, die nach Berlin zweitgrößte deutschsprachige Stadt. Doch treffen die altbekannten Monobauweisen längst nicht mehr den Zeitgeist und den Wunsch nach kurzen Wegen, guter Anbindung – also nach der komfortablen Kombination von Arbeiten, Wohnen und Freizeit. Das Stadtquartier hingegen stellt eine zukunftsfähige und gesellschaftlich relevante Lösung dar, eingebettet in zeitgemäße städtebauliche Gesamtkonzepte. Es bietet nicht nur den Nutzern einen Mehrwert, sondern birgt auch für Investoren deutliche Potenziale.

Diversifizierte Anlageform als Sicherheit für schwierige Marktphasen
Neben der Steigerung der Lebensqualität und der Verbesserung des Arbeitsumfelds haben Stadtquartiere für Investoren eine Bedeutung als diversifiziertes Produkt. Gemischt genutzte Areale mit eng verschränkten Wohn-, Büro,- Einzelhandels- und Freizeitflächen stehen bei wiederkehrenden Einnahmen durch Mieterträge auf mehreren Säulen, sie sind also bereits auf Objektebene diversifiziert. Dies ist insbesondere von Vorteil bei einem schwierigen Marktumfeld wie dem von der Corona-Pandemie geprägten der vergangenen Monate. Wenn zum Beispiel Einzelhandels- und Gastronomieflächen am Standort vorübergehend leer stehen, können die Einnahmeausfälle von den anderen Flächentypen kompensiert werden. Darüber hinaus wertet ein reichhaltiges urbanes Angebot mit kurzen Wegen zum Arbeitsplatz die einzelnen Nutzungsarten und das Quartier insgesamt deutlich auf.

Nachhaltiges Anlageprodukt und langfristige Lösung
Hinzu kommt, dass für Investoren das Thema Nachhaltigkeit immer wichtiger wird, schließlich beinhaltet ihr Investitionskatalog oftmals feste Quoten für nachhaltige Geldanlagen gemäß ESG-Kriterien. Dabei geht es um mehr als nur eine umweltschonende Energieversorgung und die Reduktion der CO2-Emissionen, sondern um die Frage, wie die Immobilie sich in das städtische Gesamtkonzept einfügt. Eine Wohnimmobilie kann beispielsweise nach höchsten Baustandards gebaut worden sein und alle Anforderungen an Energieeffizienz erfüllen. Ist sie aber weit von der Innenstadt entfernt und nicht gut angebunden, verursacht sie übermäßigen Pendelverkehr, was wiederum nicht nachhaltig ist. Anders bei modernen Stadtquartieren: Hier sind wichtige Lebenspunkte fußläufig erreichbar, was das Auto obsolet macht. Damit greifen sie den Trend der Zeit auf. Und sie fördern durch Mischnutzungskonzepte mit möglichst verschiedenen Flächentypen die Entwicklung der Urbanität und bieten dabei gesellschaftlichen Mehrwert sowie soziale Nachhaltigkeit.

Trennung nach Funktionen nicht mehr zeitgemäß
Für Investoren und Projektentwickler ist es an der Zeit, dem Stadtquartier mehr Beachtung zu schenken und mit überkommenen Gewohnheiten zu brechen. Tief verwurzelt ist allerdings noch der Gedanke der Trennung nach Funktionen. Zwar handelt es sich bei gemischten Wohn- und Gewerbequartieren um eine der ältesten und natürlichsten Form des städtischen Zusammenlebens. Mit der zunehmenden Urbanisierung Anfang des 20. Jahrhunderts wuchsen jedoch die Probleme und der Bedarf nach Wohnraum. Auch waren die Produktionsbedingungen oftmals schädlich für die Gesundheit. In der sogenannten Charta von Athen wurde vor diesem Hintergrund 1933 die Trennung nach Funktionen beschlossen, es entstanden die heute bekannten Arbeits- und Schlafstädte mit immer größerem Pendelaufwand. Später kam der Anspruch an die autogerechte Stadt hinzu. Die Trennung von Wohn- und Arbeitsräumen geht inzwischen allerdings an der Lebenswirklichkeit vorbei. Mit der Charta von Leipzig aus dem Jahr 2007 wurde der Leitgedanke zur Stadtentwicklung schließlich verändert, es sollte nun vor allem die Lebensqualität der Menschen im Mittelpunkt stehen. Schon damals haben sich die 27 in Europa für Stadtentwicklung zuständigen Ministerinnen und Minister über neue Ansätze einer integrierten Stadtentwicklungspolitik in Europa verständigt. Ein Punkt dabei war, zu verdeutlichen, dass Stadtquartiere wichtige Funktionen im gesamtstädtischen Zusammenhang und in der zunehmenden Urbanität erfüllen.

Stadtquartiere bieten langfristig bessere Perspektive als Monokulturen
Der Nachfrageüberhang im Wohn- und Bürobereich und der zunehmende Flächenbedarf wird auch mit altherkömmlichen Produkten beziehungsweise Monokulturen – getrennt nach Nutzungsart – nicht gedeckt. Vor allem in Ballungsgebieten herrscht nach wie vor ein Produktmangel. Die Leerstände im Bürosegment zum Beispiel verharrten CBRE zufolge am Ende des H1 2020 in Berlin und Hamburg trotz der Corona-Pandemie auf dem niedrigen Niveau von 1,5 % beziehungsweise 2,6 %. CBRE erwartet aufgrund der Produktknappheit, dass auch in Wien der Leerstand weiter zurückgeht und Ende 2020 mit 4,6 % nochmals 20 Basispunkte unter dem Niveau von 2019 liegen wird. Als Antwort auf den Flächenmangel könnten Entwickler zwar weiterhin nach Schema F möglichst viele Produkte auf den Markt bringen. Langfristig lohnt sich das aber für den Investor nicht. Denn die Entwicklung von Monokulturen geht an der Lebenswirklichkeit und an dem Trend zu kombinierten urbanen Arbeits-, Kultur- und Freizeitangeboten vor der Haustür vorbei. Zudem ist es fraglich, ob die derzeit gut vermietbaren Wohn- und Bürotürme in 15 oder 20 Jahren noch genauso stark gefragt sein werden. Für den Investor wäre das zumindest mit Preisabschlägen bei der Wiedervermietung oder beim Verkauf verbunden. Das Stadtquartier ist auch unter diesem Gesichtspunkt betrachtet eine zukunftsfähige Lösung und somit für den Investor mehr als nur eine Überlegung wert.

Dieser Artikel erschien am 3.11. auf IPE D.A.CH.

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